Tauschen ist Schnee von gestern

Bericht über das Fairshare Projekt Flake, bei dem es um bedingungsloses miteinander Teilen geht


Flake - Infografik

Fähigkeiten, Rezepte, Geschichten, Ideen, Fragen oder Mitfahrgelegenheiten - das alles kann zu einer Flake gehören.

Was brauchst du?

Sich bewusst werden über die eigenen Bedürfnisse, Ressourcen, Fähigkeiten und Begrenzungen

Entdecken und Mitgestalten einer Flake

Festivalbesucher beim Entdecken und Mitgestalten der Flake

Die Flake als analoges Modell

Die Flake: ein analoges Multisharingboard in 3-D

Nimm mit, was du brauchst

Von Zeit bis Lassenskraft: nimm mit, was du brauchst

Während meiner Ausbildung zum Permakultur Designer habe ich den Ethikpunkt „Peoplecare“ nach so manchen Regeln der Kunst der Permakultur und der Wildnispädagogik durchleuchtet. Eine der Ernten daraus ist das Humus-Festival. Nun habe ich den Ethikpunkt „Fairshare“ als ein für mich faszinierendes Lernfeld entdeckt. Gemeinsam mit Rosina, Luisa und Butze aus dem Yunity-Kontext und Flo, auch Teilnehmender der Permakultur-Weiterbildung, entwickelte ich 2017 die Flake, ein analoges Multisharingboard in 3-D.

Das klingt abgefahrener als es aussieht. Wir haben sie einmal so beschrieben:

Die Flake ist ein Ort der Begegnung und Spielplatz der Vernetzung, an dem Bedürfnisse, Ressourcen, Informationen und Ideen sichtbar gemacht, kombiniert und vereint werden können. Zusammen experimentieren wir hier mit einer Alternative zum Tauschen und machen erfahrbar, was es heißt, bedingungslos miteinander zu teilen. Ohne digitale Plattform finden Menschen zueinander, teilen und verwirklichen gemeinsame Ideen. Alle sind herzlich willkommen.

Mit der Flake unterwegs auf Festivals

Mit diesem Kunstprojekt waren wir im Sommer 2017 auf ‘naTour und zwar auf bald 16 Festivals.
Dabei habe ich mir den ultimativen „Fairshare“-Flash gegeben und dies sind einige meiner Aha-Erlebnisse, entnommen aus meinem sporadisch geführten ‘naTour-Tagebuch:

Es gibt tatsächlich einige Unterschiede in den Begrifflichkeiten. Durch die Beschäftigung mit der Flake und ihrem Motto, dem Teilen, eröffnet sich mir eine sensiblere und differenziertere Betrachtungsweise. Beim Tauschen beruht die Verbindung zwischen Menschen auf Gegenseitigkeit. Die Logik dahinter besagt, ich erhalte oder gebe etwas nur im Austausch gegen etwas anderes. Die Spende ist eine freiwillige Leistungen, die zwar ohne Gegenleistung, aber in der Regel mit einer gewissen Zweckbestimmung gegeben wird. Gesponserte gewähren der Sponsor*in eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung, zumeist bestimmte Werbeleistungen.

Aus dem Zwang heraus für alles Geld benutzen zu müssen, resultiert der Wunsch nach Geldfreiheit.
Einzelne können geldfrei leben durch die Gaben anderer Menschen, die wiederum nicht geldfrei leben. Gerade in diesem Fall habe ich lustigerweise bei Praktizierenden oft eine Art naive Starrsinnigkeit und Trotz erlebt.

„There's no such thing as waste, only stuff in the wrong place“

Was wir mit der Flake unterstützen und fördern möchten ist das Teilen. Teilen ist ein vielfältiger Begriff, der für mich heute mehr bedeutet, als sporadisches, funktionelles Zusammenkommen um sich auszutauschen.

Teilen beginnt bei der Bewusstwerdung der eigenen Bedürfnisse, Ressourcen, Fähigkeiten und Begrenzungen. Durch die freiwillige Transparentmachung und Kommunikation dieser können wir uns auf einander einstimmen und herausfinden, dass in unserer Gesellschaft im Prinzip alles, was wir brauchen irgendwo vorhanden ist. So wie in Charlie Mgees Song: „There's no such thing as waste, only stuff in the wrong place“

Die Bedingungslosigkeit des Teilens fördert Beziehungen zwischen Menschen. Wer teilt, ist befreit von dem Gedanken, ob sie* etwas zurückbekommt oder Gleichwertiges dagegen eintauschen kann.
Jede* gibt nur das, was sie* mag und nimmt was sie* braucht.

Nachhaltig Teilen durch Mitgestaltung

Was das Teilen gegenüber den erwähnten Interaktionsmethoden nachhaltig macht, ist die Mitgestaltung der Akteure. So habe ich vermehrt erfahren, wie kindliche Begeisterung Menschen erfüllt, wenn sie jäh zum Mitgestalten eingeladen werden. Und oft habe ich gesehen, dass dieser Moment nicht lange dauert und durch Ängste, Zweifel an der eigenen Kompetenz und Zurückhaltung abgelöst wird. Erschreckend ist auch, dass die Meisten auf den Festivals so an das Konsumieren gewohnt sind, dass sie sich ebenfalls nicht einbringen.

Und so beobachten wir und reagieren kreativ: Entwickeln weitere Spiele und Spitzfindigkeiten, dass die Menschen sich spielerisch selbst an die Hand nehmen, um liebevoll angestupst in Interaktion miteinander zu treten.

Wir verlassen die Flake und überlassen sie sich selbst, verteilen kleine Zettelchen auf denen eine Einladung zur Erfüllung eines Bedürfnisses steht:

  • Mach jemandem ein Geschenk ohne, dass sie* es merkt
  • Was ist deine Superkraft? Spiele 5 Minuten Held
  • Trinke ein Glas Wasser
  • Enttarne einen Zivilpolizisten

... und gib den Zettel weiter!

Wir kehren zurück mit Workshops, Aufmerksamkeitsspielen, geretteten Lebensmitteln und Klamotten.
Oder tun so, als wären wir selbst Gast und stellen Fragen zu diesem komischen Konstrukt aus Bettlaken und Pappschildern.

Die Flake verbreitet sich ohne unser Zutun

Es gelingt uns schließlich die Flake ohne unser Zutun wachsen zu lassen und sie sprießt unabhängig von uns in Hamburg, Siegen, Chemnitz, Berlin …

Jeder Mensch ist ein Mitgestalter, ein Prosument! Im Allgemeinen ist Mitgestaltung so natürlich, wie Ausruhen oder Spielen. Jeder Mensch besitzt den natürlichen Drang die Zukunft seiner Umgebung aktiv selber mit zu gestalten.


Und was sich daraus ergeben kann ist Selbstorganisation. Ein System, bei dem die Akteure durch selbstbestimmte Mitgestaltung komplexe Zusammenhänge erschaffen ohne, dass erkennbare äußere steuernde Elemente vorliegen. Auf dem Humus-Festival experimentieren wir vermehrt mit Selbstorganisation durch Permakultur- und Wildnispädagogik-Methoden.

Mein Fazit? Tja, ich bin mit der Flake noch lange nicht durch! Sie vereint das Teilen, was ich als Fairshare verstehe, mit dem Wildnispädagogik-Kommunikationsmodel „Truthspeaking“ auf eine zonenübergreifende Art und Weise.

Und Ihr? Baut selbst eine Flake und fühlt euch frei dabei! Ideen gibt es auf unserer Webseite www.flake.world.


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2018 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten.

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