Der produktive Waldrandgarten

Maronenbäume auf 800 Meter anpflanzen? Beeren die sich selbst ansiedeln? Kurt Forster berichtet über seine Erfahrungen mit einem nachgeahmten Waldrandgarten.


Der produktive Waldrandgarten liefert Johannisbeeren, Holunder, Bärlauch und Lebensraum (Foto © Kurt Forster)

Der produktive Waldrandgarten liefert Johannisbeeren, Holunder, Bärlauch und Lebensraum (Foto © Kurt Forster)

Querschnitt durch die südexponierte, produktive, artenreiche Waldrandzone, Illustration: Kurt Forster

Querschnitt durch die südexponierte, produktive, artenreiche Waldrandzone, Illustration: Kurt Forster

Gestaffelter Beerengarten: Johannis-, Cassis- und Jostabeeren (Foto © Kurt Forster)

Gestaffelter Beerengarten: Johannis-, Cassis- und Jostabeeren (Foto © Kurt Forster)

Als Unterpflanzung sind Erdbeeren und Zwiebeln eine ideale Mischkultur (Foto © Kurt Forster)

Als Unterpflanzung sind Erdbeeren und Zwiebeln eine ideale Mischkultur (Foto © Kurt Forster)

Der Anbau von Maronen auf 8oo Meter Höhe ist dank einem optimalen Mikroklima möglich (Foto © Kurt Forster)

Der Anbau von Maronen auf 8oo Meter Höhe ist dank einem optimalen Mikroklima möglich (Foto © Kurt Forster)

Frühlingserwachen im Waldrandgarten: Blühende Veilchen und Buschwindröschen (Foto © Kurt Forster)

Frühlingserwachen im Waldrandgarten: Blühende Veilchen und Buschwindröschen (Foto © Kurt Forster)

Selbst eine nordamerikanische Indianerbanane (PawPaw) gedeiht in dieser Biotopsübergangszone (Foto © Kurt Forster)

Selbst eine nordamerikanische Indianerbanane (PawPaw) gedeiht in dieser Übergangszone (Foto © Kurt Forster)

von Kurt Forster

Schon als Kinder haben wir entlang von Waldrändern Beeren gesucht. Wir sammelten herrlich schwarze Brombeeren, vereinzelt Himbeeren und am Boden fanden wir kleine sehr schmackhafte Walderdbeeren. Die Mutter pflückte am selben Ort Holunder für gesunde Konfitüren. Diese Kindheitserinnerungen inspirierten mich, einen kleinen Waldrandgarten nachzuahmen.

Produktive Biotopübergangszonen mit mildem Mikroklima

Biotopübergangszonen, wie Übergänge vom Wald ins offene Gelände, also Waldränder oder vom Festland ins Wasser also Seeufer, sind äusserst produktive Zonen mit hoher Artenvielfalt. Vor allem bei südexponierten Waldrändern beobachtet man, wie schnell der Schnee wegschmilzt. Dies deutet auf ein bevorzugtes, wärmendes Mikroklima hin. Diese schützenden Übergangszonen vom Wald ins offene Gelände sind äusserst vielfältig und produktiv. Sie dienten mir als Vorbild für den eigenen Beerengarten.

Die artenreiche Schutzzone nachahmen

Eine solch vielfältige Waldrandzone versuchte ich im Garten nachzubilden. Ich wollte auf wenig Fläche eine möglichst grosse Pflanzenvielfalt und einen hohen Ertrag an Beeren erzielen. Am Nordrand meines Geländes führt eine Strasse vorbei. Dort liess ich einen 1,5 Meter hohen Erdwall aufschütten, den ich mit Heckensträuchern bepflanzte. Er bietet Schutz gegen bissig kalte Nordwinde und gegen Lärm und Abgase vom Strassenverkehr.

Ursprünglich habe ich diesen Wall mit Berberitzen bepflanzt; empfand diese aber bald als naturfremd. Deshalb entfernte ich die Berberitzen und reicherte den Wall schrittweise mit einheimischen Heckenpflanzen an: mit Schwarzdorn, Weissdorn, Schlehe, Pfaffenhüttchen, Haselnuss, Stechpalmen, Liguster und Wildrosen. Zusätzlich habe ich zwischen die Sträucher eine Benjeshecke aus Abfallholz und Baumschnitt erstellt. Durch den Kot von Vögeln siedelten sich Holunder und weitere Heckenpflanzen an. So entstand schrittweise ein dichter, undurchdringlicher Dschungel, ein von Vögeln bevorzugter Ort.

Waldbodenaufbereitung

Waldböden sind ein geheimnisvolles Zusammenspiel von pulsierendem Leben. Der Organismus Boden ist ein Puzzle, eine Vernetzung von Produzenten, Konsumenten und Reduzenten, das stetig wächst und sich weiter entwickelt (Sukzession).

Diese Böden sind humos, fruchtbar und federnd weich. In „aufgeräumten“ Wäldern dagegen wird kaum neuer Humus aufgebaut. Für all die kleinen bodenaufbauenden Lebewesen ist eine Nahrungsversorgung mit Blättern, Tannnadeln, heruntergefallenen Ästen und abgestorbenem Baummaterial überlebenswichtig. Aus diesem Material bildet sich im Laufe der Jahre herrlich duftender, federnder Waldboden. Dieser Standort wird von vielen Beerenarten geliebt. In naturnahen Wäldern sind die Waldränder fast undurchdringlich dicht.

Ich wollte aus meinem aufgeschütteten, harten Lehmboden für meine Beerenkulturen solch einen schwammartigen, lockeren, humosen, leicht sauren Waldboden aufbereiten. Biotopgerechte Bodennachbildung hat mich schon immer fasziniert und mir tiefe Freude geschenkt. Dazu brachte ich auf meinen ursprünglich harten Lehmboden reichlich Häckselmaterial, gut gelagerten Kompost, Tannnandeln und Laub aus, um die Eigenschaften solch eines humosen Waldbodens nachzubilden. Um all die abbauenden Mikroorganismen in meinem Garten anzusiedeln, brachte ich auch etwas Waldbodenerde aus.

Gestaffelter Ertrag von gesunden Beeren

Leckere, buntfarbene Beeren liebt jedermann, ob direkt vom Busch genascht, gekocht als Konfitüre oder frisch beziehungsweise getrocknet im Birchermüsli. Beeren sind vitaminreich, sie gelten als cholesterinsenkend, krebshemmend und die Immunkraft stärkend und blutdrucksenkend. Dies sind überzeugende Gründe einen vielseitigen Beerengarten anzulegen.

Zwischen dem Heckenwall pflanzte ich noch einige Tannenbäume und südlich davor zwei Maronenbäume. Davor liegt eine hohe Himbeerreihe, dann folgen Johannisbeeren, schwarze Cassis und Jostabeeren und darunter habe ich Erdbeeren gesetzt, zwischen die ich Zwiebeln und Knoblauch gesteckt habe. Denn Rosen- und Liliengewächse fördern sich gegenseitig.

Holunder in der Benjeshecke

Der Schöpfer der Benjeshecke Hermann Benjes vertritt die Ansicht, dass es Frevel ist, Gehölzschnitt mit hohem Energie- und Personaleinsatz zu verschreddern. Am besten lässt man das Schnittholz liegen laut seiner Devise:

“Die Vögel kommen und scheissen sich ihre Hecke zusammen“.

Tatsächlich habe auch ich nie Holunder gepflanzt und doch wuchsen in meinem Walddschungel zwei Holunderbäume heran. Wahrscheinlich wurden sie durch Vogelkot an den richtigen Standort geschmuggelt. Sie wuchsen südlich zwischen den Tannen schnell heran und liefern heute reichlich Holunderkonfitüre.

Maronen auf 8oo m Höhe

Eine ehemalige Schülerin hat mir vor einigen Jahren ein kleines 20 Zentimeter hohes Maronenbäumchen geschenkt. Was sollte ich damit, war meine erste Reaktion! Ebenso schnell wusste ich, dass es einen Versuch wert war. Das Maronenbäumchen benötigte natürlich ein bevorzugtes Mikroklima, um an meinem Wohnort auf 800 Meter Höhe gedeihen zu können. Also pflanzte ich es an den Südhang vor die im Norden schützende, dichte Wildhecke. In dieser Südwaldrandexposition wuchs es kräftig heran. Heute, nach etwa 15 Jahren, ist es gut fünf Meter hoch und trägt die ersten Maronen. Diese Ernte erfüllt mich mit tiefer Freude. Um den Ertrag zu steigern, pflanzte ich dann später als Querbestäuber noch ein zweites Maronenbäumchen sechs Meter seitlich davor.

Versuche mit „Ungewöhnlichem“

„Das geht nicht“, wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Doch oft hatte ich nach einigen Versuchen Erfolg. Eine Indianerbanane (PawPaw, Asimina triloba) auf 800 Meter Höhe in der nördlichen Schweiz anzupflanzen ist verrückt! Doch es gelang mir und seit 10 Jahren schenkt uns das grossblättrige Nordamerikanische Bäumchen keulenförmige, papayaähnliche Früchte. Sie schmecken nach einer Mischung aus Banane, Mango, Ananas und Vanille. Der halbschattige Standort mitten im Beerengarten ist ideal. Es benötigt keine besondere Bodenaufbereitung und gedeiht im humosen Waldboden gut.

Warum Parasolpilze?

Ich habe auf meiner Waldrandparzelle nie Pilzsporen ausgebracht. Trotzdem erschienen dort einige Parasolpilze, so glaubte ich. Sie entpuppten sich dann als Safran Schirmlinge (Macrolepiota rachodes). War das Biotop besonders gut geeignet ? Hat der Wind Pilzsporen hergeweht oder habe ich mit der ausgebrachten Waldranderde solche Sporen nach Hause gebracht? Ich weiss es nicht, aber es war eine grosse Freude eigene Pilze zu ernten.

Es zeigte sich, dass sich in einer solchen Pflanzenvielfalt neue Lebenssymbiosen und Verflechtungen entwickeln können. Eine weitere Möglichkeit zu eigenen Pilzen zu kommen, bestünde darin, die Walderde mit Austernpilz- oder Kulturträuschlingmyzel zu impfen. Vielleicht lässt sich so gar das Geheimnis der Pfifferlings- oder Steinpilzzucht entdecken.

Intensives Frühlingserwachen dank Veilchen und Primeln

Teilweise wohl durch zugetragenen Samen aus dem nahen Wald oder unserm Garten haben sich unter den Beerensträuchern auch Schlüsselblumen, Buschwindröschen, Primeln, Bärlauch und Veilchen angesiedelt. Dank ihnen erleben wir in unserm Waldrandgarten immer ein besonders wundervolles, buntes Frühlingserwachen. Es ist dadurch ein Wohlfühlort entstanden, ein Platz, wo man gerne Beeren abliest und sich dabei entspannt.

Tierfreundlicher Lebensraum: Vielfalt anstatt aufgeräumte Monokultur

Im Frühling singt und zwitschert es in meinem Waldrandgarten. Vor allem in den Efeupolstern, die sich an den Tannen emporwinden, fühlen sich Vögel besonders wohl und geschützt. Die schädlingsbekämpfenden Meisen nisten hier besonders gern. Unter den Tannen in den dichten Altholzhaufen liegt auch der geschützte Wohnort einer Igelfamilie. Sie sorgt für das Entfernen von schleimigen Nacktschnecken in meinem Gemüsegarten.

Kaum Bodenbearbeitung – wenig Schnitt

Weder Umgraben noch Bodenlockerung sind in diesem Waldrandbiotop notwendig. Mit jedem Jahr wird der Boden lockerer, humoser und waldartiger durch herunterfallende Tannnadeln, Blätter und abgestorbene Pflanzen. Im Spätherbst bringe ich zusätzlich etwas Häckselmaterial, Mulch und wenig Kompost aus. Sollte sich etwas Unerwünschtes eingeschlichen haben, so entferne ich es. Zudem schneide ich im Spätherbst ein paar der ältesten Johannisbeer-, Cassis- oder Jostabeerenäste heraus und stutze die Hecke etwas zurück.

 


Deutsch ist nicht gleich Deutsch – wir lassen die Texte in der jeweiligen Rechtschreibung, das bedeutet beispielsweise, dass Texte aus der Schweiz keinerlei ß enthalten.

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Bereits erschienen in der Zeitschrift Natürlich Gärtnern Ausgabe 5/2014  vom Organischer Landbau Verlag (OLV).

Kurt Forster: Mein Selbstversorger-Garten am Stadtrand – Permakultur auf kleiner Fläche, Ökobuch, 2016, 125 Seiten

 

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