Ehemals große Gärten alter Häuser werden bebaut, ehemalige Gärtnereiflächen in den Randbereichen von Städten und Dörfern mit Einfamilienhaussiedlungen »bestellt«. – Schaue ich mir das Baugeschehen der letzten Jahrzehnte in den Städten meiner Umgebung an, sehe ich oft enge Bebauung und nur wenig Grün zwischen den Neubauten. An Anbauflächen ist gar nicht zu denken, und ich frage mich immer wieder, ob Siedlungsplanung nicht auch anders als durch »Verdichtung« vorgenommen werden kann.
Auf meiner Suche nach alternativen Ansätzen begegnete mir ein begeisterndes Beispiel aus den USA: Village Homes ist ein Wohngebiet in Davis, Kalifornien, welches von den Stadtplanern Mike und Judy Corbett entworfen und umgesetzt wurde. Heute leben hier etwa 650 Menschen. Im knapp 25 Hektar großen Areal stehen 222 Einfamilienhäuser und 22 Wohnungen. Sie wurden in den Jahren 1975 bis 1982 von unterschiedlichen Architekten und Bauunternehmen errichtet. Dem Ensemble liegt eine räumliche Gesamtplanung zugrunde, deren Ziel eine Siedlungsgestaltung war, die die Entwicklung von Gemeinschaftssinn bei den Bewohnern fördert und die Einsparung von Energie und natürlichen Ressourcen im Alltag begünstigt.
Marc Francis, Professor für Landschaftsarchitektur an der Universität von Kalifornien, veröffentlichte 2002 eine Studie über Village Homes, auf der dieser Beitrag basiert.
Kein einfacher Start
Die Gestaltung der Siedlung begann mit einem gemeinschaftlichen Ansatz: Das Initiatoren-Paar startete den Entwicklungsprozess zusammen mit einer Gruppe interessierter Freunde und Familien, die sich ihr gemeinsames »Dorf« erträumten. Obwohl diese Gruppe aus Mangel an Geld und einem geeigneten Ort nach einem Jahr wieder zerbrach, arbeiteten die Corbetts weiter an ihrem Plan und suchten nach Investoren. Auch die Genehmigung bei den städtischen Behörden musste erarbeitet werden. Mike Corbett erinnert sich: »Als ich zum ersten Mal den Entwurfsplan von Village Homes bei der Direktorin für Stadtplanung der Stadt Davis vorstellte, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und begann zu lachen. ›Das geht gegen alles, was ich an der Hochschule gelernt habe. Ändern Sie alles und dann kommen sie wieder und wir können darüber reden‹, antwortete sie.
Bemerkenswert ist, dass ich dennoch in der Lage war, etwa 90 Prozent dessen, was auf diesem ursprünglichen Plan stand, umzusetzen.« Die Corbetts stießen auf erheblichen Widerstand und Ablehnung. Judy Corbett beschrieb den Prozess einmal so: »Jeder hatte ein Problem: Die Polizeibehörde mochte die Sackgassen nicht. Die Feuerwehr wollte die schmalen Straßen nicht. Das Bauamt mochte keine Mischung von Landwirtschaft und Wohngebiet. Und die Planungsabteilung zerpflückte alles endlos.«
Für Marc Francis ist die Reaktion der Corbetts auf diese Herausforderungen etwas Besonderes: »Sie antworteten mehr mit der Überzeugung von Missionaren als mit dem Pragmatismus von Bauträgern. Sie akzeptierten kein Nein als Antwort. Sie stellten Verkehrskegel auf einen leeren Parkplatz, um der Feuerwehrbehörde zu zeigen, dass Rettungsfahrzeuge leicht durch die schmalen Straßen steuern können, selbst an parkenden Autos vorbei. Sie überzeugten die Polizeibehörde, dass die Anlage von Fußwegen hinter den Häusern anstatt davor und der Ausschluss von Durchfahrtsstraßen dafür sorgt, dass Anwohner sich sicherer fühlen. Die geringe Kriminalitätsrate in Village Homes hat diesen Punkt bestätigt.«
Letztlich half die Lokalpolitik dabei, eine Baugenehmigung zu bekommen. Die Planungen mussten vom Stadtrat abgesegnet werden, und dieser war glücklicherweise sehr aufgeschlossen und unterstützte das Vorhaben, sodass 1975 nach fast drei Jahren Verzögerung und Verhandlungen mit dem Bau des ersten Hauses begonnen werden konnte.
Gemeinschaftliche Geländegestaltung
Die Anfangsphase der Siedlung war geprägt von Pioniergeist. Viele Arbeiten wurden in gemeinschaftlichen Einsätzen erledigt, beispielsweise das Anlegen von Fußwegen und Stegen. Judy Corbett meint dazu: »Die Leute in Davis dachten, wir wären ein Haufen verrückter Hippies. Der Prozess war sozial sehr verbindend. Wir gaben alles in unsere Vision und machten sie möglich.«
Marc Francis beschreibt die Bewohnerbeteiligung bei der Siedlungsentwicklung so: »Während der Gesamtplan allein von den Entwicklern kam, bauten sie doch zahlreiche Möglichkeiten für die Bewohner ein, sich an der Gestaltung der Freiflächen und an der fortlaufenden Verwaltung der Gemeinde zu beteiligen. Vieles der kommunalen Landschaft und Gebäude wurde durch diesen gemeinschaftsgetragenen Prozess aufgebaut. Geldmittel wurden von der Hauseigentümervereinigung angespart. Diese ermöglichten es den Bewohnern, Geländebereiche und Gebäude zu gestalten und zu bauen – etwa das Gemeindezentrum und das Schwimmbad. So erhielt jede Gruppe aus acht Hauseigentümern, die um einen Bereich des Gemeindelands lebten, etwa 600 Dollar von der Eigentümervereinigung, um dieses Areal so zu gestalten, wie sie es wünschten. Dies zwang die Bewohner dazu, zusammenzuarbeiten und sich kennenzulernen, meist sofort nach dem Einzug. Die Erzeugung eines Gefühls von symbolischer Verantwortung ist ein wichtiger Zusatznutzen der Bewohnerbeteiligung. Studien haben gezeigt, dass diese Beteiligung zu einem stärkeren Gefühl der Verbindung in der Nachbarschaft und zu größerer Zufriedenheit führte.«
Die erwähnte Hauseigentümervereinigung ist die verwaltende Struktur von Village Homes. »Ein Büroleiter ist von der Vereinigung angestellt und kümmert sich um die tägliche Verwaltung. Alle Bewohner sind beitragzahlende Mitglieder der Vereinigung. Ihr Vorstand und ihre vielfältigen Gremien bilden eine starke Organisation, die lokale Kontrolle und Beteiligung sicherstellt. Der Vorstand ist in alles einbezogen: Er tritt bei Streitereien unter Nachbarn als Schlichter auf, kontrolliert den Einsatz von Pestiziden und redet mit, wenn es um die Neugestaltung alter Strukturen geht. Gremien und Regelungen sind zahlreich. Zum Beispiel regelt ein dreiseitiges Leitlinienpapier die Gemeinschaftsgärten, und Gartenkoordinatoren werden berufen, um verschiedene Gebiete zu betreuen.«
Mit Gestaltungsmustern Energie und Ressourcen sparen
Village Homes folgt in der Gesamtanlage einem Muster: Wie die Straßen und Plätze in alten europäischen Dörfern sind die Wohnbereiche rund um offene Räume angesiedelt. Die Fläche von Village Homes verteilt sich zu 47 Prozent auf Privatgelände und zu 40 Prozent auf Gemeindeland, davon sind 25 Prozent Grüngürtel und 15 Prozent Gemeinschaftsflächen; Straßen und Parkplätze belegen 13 Prozent.
Im Vergleich zu einem anderen Stadtteil von Davis wurde festgestellt, dass es rund sieben Prozent weniger Verkehrsflächen gibt. Die Häuser sind in Village Homes durchschnittlich um 20 Prozent kleiner. Die Fläche der Privatgrundstücke ist im Durchschnitt sogar um 60 Prozent kleiner. Das große, für alle nutzbare Gemeindeland macht weniger privaten Außenraum nötig. Die Straßen verlaufen in Village Homes überwiegend in Ost-West-Richtung, was die Ausrichtung aller Grundstücke nach Süden und damit den Bau von Gebäuden mit passiver und aktiver Solarenergienutzung ermöglicht. Die Nutzung von solarer Heißwassergewinnung deckt hier bis zu hundert Prozent des Warmwasserbedarfs im Sommer; im Winter sind es etwa fünfzig Prozent. Tatsächlich nutzen etwa zwei Drittel der Gebäude aktiv die Sonnenenergie. Sonneneinstrahlung, die für die Energiegewinnung nützlich ist, möchte man an anderer Stelle in heißen kalifornischen Sommern minimieren. Auch deshalb sind die befestigten Straßen schmal gestaltet und werden von schattenwerfenden Bäumen gesäumt. So wird die Umgebungstemperatur im Vergleich zu baumlosen Flächen um bis zu zehn Grad Celsius reduziert.
Eine Studie fand heraus, dass in der dörflichen Siedlung ein Drittel weniger Haushaltsenergie verbraucht wird als in anderen Teilen von Davis. Dies ist ein Ergebnis von passiv-solarer Gebäudegestaltung, Südausrichtung der Grundstücke und Beschattung von Süd- und Westseiten.
In weiteren Arbeiten kamen Forscher zum Ergebnis, dass die Bewohner von Village Homes im Schnitt rund fünfzig Prozent weniger Energie verbrauchen als andere Bewohner der Stadt. Dies liegt auch daran, dass ein Gestaltungsschwerpunkt auf den Rad- und Fußverkehr gelegt wurde. Die Straßen sind, wie oben beschrieben, mit knapp acht Metern Breite nur knapp halb so breit wie sonst üblich. Sie sind als Sackgassen angelegt, was so etwas wie Durchgangsverkehr ausschließt; kurvig wie eine alte Dorfstraße sorgen sie für langsames Fahren. Für Gäste gibt es Parkplätze am Rand der Siedlung. Entlang der Straßen gibt es keine Fuß- und Radwege. Diese verlaufen stattdessen parallel zu den Straßen auf der Rückseite der Wohnhäuser durch einen extensiv genutzten grünen Gürtel aus Gemeindeland. Auf dem Rad geht es hier vorbei an Gärten und Freizeitbereichen – Erholung ist so auf dem Weg nach Hause fast schon garantiert. Und auch innerhalb der Siedlung ist die längste Wegstrecke in fünf Minuten per Rad zurückzulegen, zum Beispiel zum Schwimmbad, zur Kindertagesstätte, zum Restaurant oder zum Tanzstudio. Diese Einrichtungen befinden sich zum Teil in einem zentralen Gebäude und tragen zur Finanzierung der Gemeinschaftsstrukturen bei.
»Die ursprüngliche Vision der Corbetts war es, so weit wie möglich eine wirtschaftlich unabhängige Gemeinde zu schaffen«, schreibt Professor Francis in seiner Studie. Weitere Dienstleistungen werden innerhalb von Village Homes nicht angeboten, sie sind mit einer kurzen Fahrt per Rad außerhalb der Siedlung erreichbar.
Eine essbare Landschaft
Das Gemeindeland zwischen den Häusern ist als essbare Landschaft gestaltet. Diese beherbergt mehr als vierzig verschiedene Sorten von Frucht- und Nussbäumen. Jederzeit ist hier etwas reif und trägt zur Nahrungsversorgung bei. Außerdem gibt es zwei große Parks, zwei Weingärten, mehrere Obstgärten und zwei große Gemeinschaftsgärten. Die Bewohner haben festgelegt, dass Gemeindeland für drei Zwecke genutzt werden darf: Vergnügen, Blumen und Nahrungsmittelproduktion. Dabei kann Letzteres auch dazu dienen, Geld für die Gemeinde zu erwirtschaften. Beispielsweise bringt eine Pflanzung von dreihundert Mandelbäumen Geld in die Kasse der Hauseigentümervereinigung. Insgesamt wachsen in Village Homes etwa 25 Prozent des Frucht- und Gemüsebedarfs der Bewohnerinnen und Bewohner. Manche von ihnen produzieren über die Erträge der Allmendeflächen hinaus ihre eigenen Nüsse, Honig oder Getreide.
Das gesamte Gelände ist so gestaltet, dass es Wasser speichert und auch Dürrephasen erträgt. Beispielsweise wurde die Anlage von Rasenflächen weitgehend reduziert. Rasen gibt es nur in den großen Gemeinschaftsflächen; hier kann mensch sich treffen oder Sport treiben. Entlang der Wege wurden hingegen einheimische oder essbare Pflanzen angesiedelt. Bewässert werden im Notfall nur die Bereiche, die direkt genutzt werden. Das Wasserregime des Geländes ist darauf angelegt, Regenwasser nicht in Gullys verschwinden zu lassen, sondern es vor Ort in den Boden zu bringen, es zu speichern und zur Landschaftsgestaltung zu nutzen. Es gibt ein Netzwerk aus Bächen, Versickerungsgräben und Teichen. Dieses technikarme System brachte – neben dem Nutzen für Grundwasserspiegel und Ökologie – deutlich reduzierte Infrastrukturkosten beim Bau mit sich; es erhöht zudem den Spielwert des Geländes.
Für Marc Francis ist die Frage danach, wie gut ein Ort für Kinder funktioniert, ein wesentlicher Indikator für die Qualität einer Gemeinde. In einem Interview mit ihm betonte Judy Corbett: »[Village Homes] ist ein großartiger Ort, um Kinder großzuziehen. Es bietet ihnen ein Gefühl von Freiheit und Sicherheit. Das ist einer der größten Erfolge der Gemeinschaft.« Offenbar funktionieren die hier geschaffenen Strukturen nicht nur für Kinder gut. In einer Studie wurde herausgefunden, dass Menschen, die in der Siedlung leben, doppelt so viele Freunde und dreimal so viele Sozialkontakte haben wie Menschen in anderen Teilen von Davis. Außerdem ist die Kriminalitätsrate um neunzig Prozent geringer als im städtischen Durchschnitt.
Für Marc Francis, den Professor für Landschaftsarchitektur, ist klar: »Village Homes ist eines der am meisten publizierten umgesetzten Beispiele von nachhaltiger Gemeindeplanung und Landschaftsarchitektur in den Vereinigten Staaten.« Die im Internet zu findenden Fotos lassen gut nachvollziehen, warum das so ist: Es gibt hier weitaus mehr Grün als Beton und Teer. Wer würde nicht gerne hier leben wollen?
Francis stellt aber auch fest, dass dieses offenbar erfolgreiche Siedlungskonzept – abgesehen von einzelnen Aspekten wie etwa der Regenwasserversickerung im Gelände – nie »kopiert« wurde. Als wesentlichen Grund für die fehlende Nachahmung nennt er die Tatsache, dass es Mike und Judy Corbett nur einmal gäbe. Das Ehepaar habe sich mehr als zehn Jahre lang für seine Vision eingesetzt, es habe selbst in der Siedlung gelebt und sich in Nachbarschaft und Verwaltung engagiert.
Bereits erschienen in »Oya – enkeltauglich leben!«, Ausgabe #68/2022.