Was brauchen wir wirklich, damit es uns gut geht?

Ein Radiointerview mit Permakulturdesignerin Judit Bartel beim Nürnberger Radiosender Radio Z über Permakultur und ihr Projekt „Nüsse fürs Nürnberger Land“.


Mit welchen Themen beschäftigt sich Permakultur?

„Auf welche Weisen können wir Menschen, die wir hier und jetzt leben, gut für unsere Bedürfnisse sorgen, ohne die Lebensgrundlagen anderer Menschen und anderer Lebewesen und zukünftiger Generationen zu zerstören? (…) Wie können wir unsere Nahrung anbauen? Wie können wir wohnen? Wie können wir für unsere sozialen Grundbedürfnisse sorgen, zum Beispiel nach sinnstiftendem Tun, nach Zugehörigkeit, nach Wertschätzung? Mit der Frage nach den Bedürfnissen nehmen wir den Fokus weg von den vermeintlichen Bedürfnissen, die in unserer Wirtschaftsweise, die ich als eine Wirtschaftsweise des Alles-Immer-Mehr-Immer-größer bezeichnen würde, so selbstverständlich erscheinen. Was brauchen wir wirklich, damit es uns gut geht? Damit wir gut und erfüllt leben können? Für mich persönlich hat diese Frage ein großes und radikales Potential.“

Wie lebst du Permakultur im Alltag?

„Im Alltag ist für mich Permakultur eine Brille oder eine Haltung mit der ich in der Welt agiere. (…) Wie kann ich an dem Ort und in der Situation, in der ich gerade bin und mit den Ressourcen, die ich habe eine positive Veränderung bewirken. Und was ist eigentlich gerade gebraucht und angemessen? Und dabei schauen wir noch: Was können wir von der Natur lernen? Von ihren Rhythmen, von ihren Mustern und Prozessen oder auch von indigenen Kulturen, denen es gelang oder gelingt respektvoll mit ihrer mehr als menschlichen Mitwelt umzugehen?“

Wo sind Hebelpunkte, um ein System zu wandeln?

„Wo sind Hebelpunkte, wo kann man ansetzen, um ein System, was eher eine zerstörerische Dynamik hat, vielleicht in ein System zu wandeln, was lebensdienlich ist? Ein Beispiel sind für mich die solidarischen Landwirtschaften. In den letzten zehn Jahren sind sie ja wie Pilze aus dem Boden geschossen. Eigentlich gibt es in jeder Region solidarischen Landwirtschaften. Und es machen Menschen mit, die gar nicht von vorne herein dem ganz alternativen Spektrum zuzuordnen sind. Einfach weil sie Lust haben und weil sie es lecker finden Nahrung aus der Region zu haben und sich auch mit den Jahreszeiten mehr zu verbinden. Und da gibt’s einfach viel, was man neu entdecken kann. Die solidarischen Landwirtschaften haben ja noch ganz andere Vorzüge: dadurch dass sie versuchen für die Bedürfnisse von einer bestimmten Anzahl von Menschen Nahrung zu produzieren sind sie auf Vielfalt ausgelegt, ganz anders als ein normaler Betrieb heutzutage in unserem Wirtschaftssystem, der sich spezialisieren muss auf wenige Kulturen. In den solidarischen Landwirtschaften gibt es hingegen durch die Ausrichtung auf Vielfalt ein großes Potential, Landwirtschaft auf eine Weise zu betreiben, die Ressourcen aufbaut."

Wird lokale Selbstversorgung wieder wichtig?

„Subsistenzwirtschaft ist für mich zu schauen für welche meiner Bedürfnisse kann ich für mich und die Menschen in meinem Umfeld selbst sorgen. Und bin nicht angewiesen auf anonyme, globalisierte Wirtschaftsbeziehungen. (…) Es fällt mir leichter die Geschichte hinter einem Produkt zu kennen und ich fühle mich mehr eingebunden in die Stoff- und Energieströme, von denen ich eigentlich Teil bin, wenn ich weiß aus welchem Wald das Holz kommt, das ich im Winter verheize, wenn ich weiß wie viel Arbeit das macht, das ofenfertig zu machen. Und anhand des Holzstapels ganz bildlich sehe wie viel ich verheize. Dann drehe ich vielleicht den Heizkörper mit mehr Bedacht auf als einfach nur wenn das Heizöl oder -gas kommt, also wenn ich da nicht so einen unmittelbaren Bezug dazu habe. Und ich ziehe lieber eine Wollstrickjacke an, von der ich weiß, dass die Strickjacke von meiner Oma ist und die aus Wolle gestrickt ist von ihren Schafen und wo sie eine Nachbarin gebeten hat, die Wolle zu verspinnen und die Strickjacke zu stricken.“

Wie arbeitest du als Permakulturgestalterin?

„[Das] kann ich gut an unserem Projekt zeigen, das wir gerade mit unserem Grünspechtverein hier in Happurg in diesem Jahr initiiert haben. Es ist das Projekt „Nüsse fürs Nürnberger Land“. Ich bin vor elf Jahren hier in die Gegend gekommen und habe mir immer die Frage gestellt: Wie kann ich mich hier einbringen? Auf welche Weise kann ich hier im Sinne der Permakultur zu noch mehr Fülle und Lebendigkeit in der Landschaft beitragen? Denn es gibt hier schon vieles. Die Landschaft ist sehr kleinteilig strukturiert, es gibt einen sehr lebendigen Biobauernverein, es gibt eine solidarische Landwirtschaft, (...) es gibt die Streuobstinitiative, die Streuobstwiesen verjüngt und pflegt und alte Obstsorten anbaut. (…) Da trafen dann mehrere Beobachtungen zusammen. Zum Einen mussten wir hier miterleben, dass im Dorf mehrere große Walnussbäume gefällt wurden und haben diese Haltung deutlich mitbekommen „Naja, die machen ja bloß Dreck. Dann muss man das Laub wegmachen.“ Also gar nicht der Wert der Nüsse, die sie auch schenken. (...) Dann kam noch ein anderer Aspekt dazu, der mir aus der Permakultur sehr präsent ist, dass Bäume sehr unterschiedliche und vielfältige Qualitäten in eine Landschaft bringen können. Sie puffern Wetterextreme, sie stabilisieren den Wasserhaushalt, sie schützen den Boden vor Erosionen, sie bauen Humus auf und natürlich speichern sie CO₂. Das sind alles so wunderbare und dringend gebrauchte Eigenschaften, in denen die klassische Landwirtschaft sich schwer tut. Dann kam diese Frage auf: Wie kann ich auch im Anbau unserer Nahrung mehr mit Bäumen arbeiten? Kann ich die Nüsse hier als Aufhänger dafür nehmen? So ist dieses Projekt entstanden, das eben den Fokus darauf legt, Walnussbäume, Haselnüsse, Esskastanien und Eicheln anzubauen, zu pflegen und zu be-ernten. Und da einfach in der Hinsicht Strukturen zu schaffen.“

 


 

Gesendet im Magazin Stoffwechsel auf Radio Z, bei dem auch die Rechte liegen. Radio Z empfangt ihr im Nürnberger Raum auf der Frequenz 95,8 MHz.

Lest hier unsere Beiträge über Eicheln Essen und zu den Anknüpfpunkten zwischen Permakultur und Postwachstum. Mehr über das Projekt „Nüsse fürs Nürnberger Land“ findet ihr auf der Webseite des Grünspecht e.V.

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