Waldgarten, Heubeete und die Entdeckung der Langsamkeit

Manches fügt sich im Laufe der Zeit zu einem harmonischen Ganzen


von Alexandra Korte

Ich muss verliebt sein, anders kann es nicht sein. Was sonst würde meinen Biorhythmus so durcheinanderbringen, dass ich bereits in aller Frühe auf der Wiese stehe? Zumindest finde ich mein neues Werkzeug verdammt großartig und unschlagbar in vielerlei Hinsicht. Kartoffeln im Heubeet sind vielleicht für viele keine unbekannte Methode mehr; ich selbst verwende insbesondere für den Kartoffelanbau neben Laub im Herbst hier im Norden oft Seegras zum Mulchen Aber meistens ist die Beschaffung der Menge an benötigtem Mulchmaterial nicht so ganz einfach, in der Regel mit Aufwand verbunden und man hat eigentlich auch nie genug. Spätestens im Frühsommer sind die Strände dann bei uns abgeräumt, damit sie für die Touristen „schön sauber“ sind. Seegras und seine Verwendung wäre allerdings noch mal ein ganz eigenes spannendes Thema.

Der Artikel über den elementaren Gemüseanbau mit Heubeeten, hat mich dazu angestiftet, das endlich selbst auszuprobieren und Heu als Mulchmaterial stärker in den Fokus zu nehmen. Doch woher nehmen? Wie auch im besagten Artikel anklingt, ist die Menge an benötigtem Heu nicht unerheblich. Gelegentlich klickte ich mich durch die Kleinanzeigen, ob jemand in der Gegend altes Heu loswerden wollte, aber auch hier ist mein innerer Widerstand, für eine aushäusige Ressource extra loszufahren, doch zu groß.

Nun hat sich in meiner Dorfgemeinschaft die Nutzung unserer Flächen in den letzten Jahren geändert: Eine große Wiese, die lange Jahre an verschiedene Bauern verpachtet war, wird zum Teil nun von uns selbst bespielt. Unter anderem entsteht dort seit einigen Jahren ein Waldgarten. Und hier präsentiert sich wunderbar das Konzept vom Problem, das die Lösung ist: Die bisher nur mit Bäumen bepflanzten Bereiche sollen mindestens einmal im Jahr gemäht werden, um die Ausbreitung des stumpfblättrigen Ampfers einzudämmen. Im letzten Jahr hat das jemand mit dem Trecker erledigt und dabei Heu gemacht. Aber mit zunehmender Bepflanzung wird das Befahren mit dem Trecker immer schwieriger, von Bodenverdichtung und dem Input von erdölbasierten Ressourcen ganz zu schweigen. Außerdem bin ich abhängig davon, dass jemand diese Arbeit übernimmt, da ich mir den Umgang mit Trecker und Mähwerk im enger werdenden, teilweise etwas abschüssigen Gelände schlichtweg nicht zutraue. Gleichzeitig wäre das gemähte Gras der dringend benötigte Mulch, nicht nur für Gemüsebeete, sondern auch oder in erster Linie für den Waldgarten, wo die Erschließung neuer Bereiche unendliche Mengen an Mulchmaterial und/oder Arbeitszeit verschlingen kann.

Und dann das: Das Sensen – pardon – das Mähen mit der Sense hat mich von all dem befreit. Es gibt der kleinen langsamen Lösung gegenüber einer schnellen großen den Vorzug und bietet damit auch große Flexibilität. Ich bin unabhängig von den Ressourcen Trecker und Diesel und, zumindest so lange ich kein Heu in Futterqualität erzeugen will, auch wetterunabhängig, denn Mähen kann ich mit der Sense auch oder gerade bei Regenwetter.

Neben all den bekannten guten Gründen für die Sense, wie ressourcenschonender Einsatz, tierfreundliches Mähen und körperliche Betätigung, macht es mich vor allem selbstwirksam und vermittelt mir ein Gefühl für den Ort. Wenn ich entgegen meinen Gewohnheiten noch vor der Arbeit morgens eine Stunde auf der Wiese zubringe, „metert“ es vielleicht nicht im Sinne von „die Arbeit erledigen“, aber der persönliche Mehrwert ist für mich unbezahlbar. Ich kann jederzeit entscheiden, was und wie viel ich mähen will, abhängig von den Gegebenheiten (ich achte zum Beispiel auf den Ampferblattkäfer (Gastrophysa viridula), der dabei helfen kann, die Ausbreitung des stumpfblättrigen Ampfers einzudämmen). Ich kann meine persönlichen Ressourcen besser einteilen und auch entscheiden, welche Stellen ich ein zweites Mal mähen will, weil ich vielleicht noch Heu benötige, und welche ich stehen lasse, um Tiere zu schonen. Ich beobachte die Wiese ganz anders und nehme sie auch ganz neu wahr. Ich lerne, welche Areale sich gut oder schlecht mähen lassen. Außerdem tun sich neue Lernfelder auf, zum Beispiel wann der beste Mähzeitpunkt ist, welche Tiere auf der Wiese leben oder welche Gräser und Kräuter sich dort eigentlich finden und was in Zukunft passieren wird, wenn die Fläche regelmäßig gemäht und abgeräumt wird. Die Wiese ist für mich plötzlich nicht nur eine ehemalige Kuhwiese, die ich irgendwie bändigen muss, bis dort ein Wald wächst, sondern Habitat und Ökosystem. Ein System, das wiederum Teil des werdenden Systems Waldgarten ist und damit nun eine ganz neue Verbindung erhält: Ich sehe endlich Land, also Heu, also Waldgarten. Jetzt habe ich endlich das Gefühl, ich kann der Quecke und dem Ampfer etwas entgegensetzen und mit dem einfachen Werkzeug Sense die Fläche nach und nach entwickeln, ohne ständigen Ressourceneintrag von außen. Ich schließe Kreisläufe und verwurzele mich einmal mehr im System. Ein weiterer schöner Nebeneffekt dabei ist, dass sich so auch die Herde der Bodenlebewesen füttern lässt, mit den entsprechenden positiven Auswirkungen auf Kartoffeln, Kohl und Kürbis, die wohl auch in absehbarer Zeit noch ihren Platz im Waldgarten finden werden.

Ganz praktisch:

Für das Mähen mit der Sense ist es sinnvoll, das (Wald-)Gartendesign dahingehend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. So beginne ich „aufgeräumte“ Wiesen durchaus wertzuschätzen, da große Steine und liegengebliebenes, eingewachsenes Totholz für ein Sensenblatt tödlich sein können. Es ist daher sinnvoll, verschiedene Bereiche klarer zu trennen, um die Übersicht zu behalten. Grundsätzlich lassen sich regelmäßig gemähte und abgeräumte Wiesen leichter und mit deutlich mehr Spaß mähen. Und nur was Spaß macht, ist bekanntlich auch dauerhaft!

(Beet-)Begrenzungen mit Baumstämmen oder Steinen sind eher ungeeignet, es ist im Gegenteil deutlich einfacher, die Begrenzung (die ja auch eine Randzone darstellt) mit der aufgeworfenen Heuschwade zu definieren. Bei geschickter Planung verursachen Begrenzungen dieser Art keine zusätzliche Arbeit und die Bereiche lassen sich fast von selbst immer ein bisschen vergrößern (expanding edge technique). Bei festgelegten Beeten, die nicht vergrößert werden sollen, hat es sich bewährt, die Randzone beispielsweise mit einer kriechenden Sorte Beinwell oder Rotklee als Puffer zu bepflanzen, die dann zum Teil gleich mit gemäht werden und wertvollere Pflanzungen vor dem Sensenschwung schützen. Sollen auch Wege mit der Sense gemäht werden, trifft ähnliches zu, und es ist auf jeden Fall hilfreich, diese Wege nicht zu schmal zu planen. So hatte ich zum Beispiel einen Weg auf Aufsitzrasenmäherbreite ausgelegt, mit dem Ergebnis, dass das Sensen dort deutlich schwieriger bis fast unmöglich ist.

Und schließlich: Wer viel und mit Spaß mähen will, kommt um die Investition in gutes Werkzeug nicht herum. Dabei steht zugegebenermaßen die Funktionalität an erster Stelle, aber ich muss ein Werkzeug auch gerne in die Hand nehmen. Ich persönlich würde deshalb immer einen Sensenbaum (Stiel) aus Holz bevorzugen, aber da mag es auch andere Meinungen geben. Die Qualität der Sensenblätter finde ich als Neuling auf den ersten Blick schwer zu beurteilen. Bewährt haben sich aber definitiv Blätter einer alteingesessenen Sensenschmiede, von denen es bedauerlicherweise nicht mehr sehr viele gibt. Und entgegen manche Behauptung, dass auch diese Blätter beim Neukauf zunächst gedengelt werden müssen, kann man meiner Erfahrung nach damit sofort loslegen und verschafft sich auf diese Art und Weise etwas Erfahrung und Zeit, sich dem Thema Dengeln nach der Mähsaison zu nähern.


Wer Lust hat, sich auszutauschen oder vielleicht noch etwas Ermutigung braucht, kann gerne mit mir Kontakt aufnehmen: alexandrakorte@web.de

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