Von Pflanzen und Menschen

Erfahrungsbericht zum Umgang mit invasiven Neophyten in Gartenprojekten


Invasive Neophyten in Gartenprojekten, Goldrute im Garten

von Volker Croy

Als Neophyten werden Pflanzen bezeichnet, die nach 1492 durch den Menschen nach Europa kamen. Pflanzen, die davor durch unsere Vorfahren zu uns kamen, gelten als Archäophyten. Die Trennung ist willkürlich auf die Entdeckung Amerikas festgelegt, da seit dieser Zeit weit mehr Pflanzen nach Europa kamen als zuvor.

Die meisten Neophyten tun uns gute Dienste als Kulturpflanzen und können ohne unser Zutun nicht in unserem Klima überleben, so zum Beispiel Tomaten. Einige wenige, aus ähnlichen Klimazonen stammend, können aber allein überleben. Diese werden in invasive Pflanzen mit hohem Ausbreitungspotenzial und in nicht-invasive mit geringem Ausbreitungspotenzial unterschieden.

Es bleibt zu bedenken, dass zwar viele Pflanzen unserer Kulturlandschaft nicht heimisch sind, aber nach den Jahrhunderten der Anwesenheit sich die Natur darauf eingestellt hat. Viele Singvögel und Insekten leben im Rhythmus der Landwirtschaft der letzten Jahrtausende zusammen mit vielen pflanzlichen Begleitern des Ackerbaus. Doch nun drängen erheblich mehr Pflanzen in unsere Ökosysteme als in der Zeit vor 1492 und erheblich schneller, als diese reagieren können.

Invasive Arten haben eine starke Auswirkung auf unsere heimische Natur. Nicht nur, dass sie sich schnell ausbreiten und andere Pflanzenarten verdrängen, indem sie deren Lebensräume besetzen, oft verdrängen sie diese aktiv durch Überwuchern. Vor allem Ruderalpflanzen (Erstbesiedler) sind in unseren Breiten eher kleine Pflanzen und werden schnell von höher wachsenden Pflanzen verdrängt.

Invasive Neophyten können auch nur selten von heimischen Tieren wie Schnecken und Insekten als Nahrung verwendet werden. Bis sich die ersten Tiere an eine neue Art angepasst haben, dauert es in der Regel wenigstens 30 Jahre. Oft werden diese Pflanzen eher durch mitgebrachte Kleintiere angefressen, die dann wiederum eine Auswirkung auf andere Pflanzen haben können. Einzig Bienen, Hummeln und einige Schmetterlinge, allesamt Allesfresser, die „Schweine“ unter den Bestäuber-Insekten nutzen diese Pflanzen schnell als Nektarquelle.

Dieses Wissen kann als Argumentationsgrundlage in Projekten mit „Naturromantikern“ genutzt werden. Als Naturromantiker möchte ich Menschen bezeichnen, welche die Natur und ihre Vorgänge glorifizieren, ohne sich genauer damit auszukennen. Dass invasive Pflanzen von Bienen angeflogen werden, wird als Zeichen der Natürlichkeit dieser Pflanzen gewertet. Wenn sie alles überwuchern, soll der Lauf der Natur alles weitere regeln. Was sie auch tut, nur in weit größeren Zeitspannen und weit stärkeren Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt, als uns im Zweifel lieb sein kann.

Beispiele aus eigener Erfahrung

Die genannten Beispiele entsprechen meinen eigenen Erfahrungen und können Ausnahmen sein.

 

Schlingknöterich (Fallopia baldschuanica) – „wie im Regenwald“

In einen Projekt in der Lommatzscher Pflege sollte eine Hofstätte für Wohnraum und Anbau von Nutzpflanzen aufgearbeitet werden. Am Rand des Gartens befand sich ein rasch ausbreitender Teppich aus Schlingknöterich. Er hatte schon ein weites Feld an Pflanzen überwuchert, eine 60 Jahre alte und 10 Meter hohe Birne war vollständig von ihm überwuchert und an Lichtmangel eingegangen. Einige daneben stehende Kirschen wurden bereits von der Pflanze nach unten gezogen und krümmten sich unter der Last. Das Freischneiden der Kirschen führte fast zum Auseinanderbrechen der Projektgruppe und hinterließ einen tiefen Riss in der Gemeinschaft. Eine vorherige Absprache wäre sinnvoll gewesen, denn der angenommene Konsens, dass die invasive und alles andere vernichtende Pflanze zu beseitigen sei, lag nicht vor. Statt dessen gab es Aussagen, wie „schön und malerisch“ diese sei oder dass es „wie im Regenwald“ aussehe. Nach der Aktion war mit Argumenten keine sinnvolle Diskussion mehr möglich.

Das hat gezeigt, dass auch für den Naturhaushalt wichtige und nötige Eingriffe vorab diskutiert und mit Argumenten gut unterfüttert werden müssen. Denn die gefährlichen Auswirkungen für die Ökosysteme unserer Kulturlandschaft, von der Verdrängung von Arten bis zum Verhungern wegen fehlender Nahrungspflanzen, sind nicht allen klar.

 

Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) – „eine gute Bienenweide“

In einem Gartenprojekt nahe Zittau breitete sich Goldrute aus. Sie überwucherte auf einer Ruderalfläche alles andere, selbst starke Arten wie Rainfarn (Tanacetum vulgare) und Löwenzahn (Taraxacum) fielen ihr zum Opfer. Einige Teilnehmer des Projektes weigerten sich die Goldrute zu entfernen, versuchten die Entfernung zu stören und sammelten sogar Samen und verbreiteten diese auf anderen Flächen. Als Grund für ihr Handeln nannten sie, dass es „eine gute Bienenweide“ sei. Es stellte sich heraus, dass ein Imker in der Verweigerer-Gruppe war. Über den Streit verhärteten sich die Fronten bis zu einem Einsatz von Glyphosat gegen die Goldrute und zum Abgang der Goldruten-Befürworter aus dem Projekt. Auch hier hatte es zu wenig Kommunikation im Vorfeld gegeben.

Auch in Gemeinschaftsgärten gibt es immer wieder das Bienenweiden-Argument gegen die Entfernung und den Hinweis auf die schönen Blüten. Da diese Goldrute als Zierpflanze nach Europa kam, ist dies verständlich.

Umgang mit invasiven Pflanzenarten

Je nach Gefährdungspotenzial sollte die Pflanze entweder, falls möglich, entfernt oder soweit eingeschränkt werden, dass sie sich nicht weiter verbreitet oder zumindest den Flächen keinen Schaden zufügt.

Bei Goldrute beispielsweise lässt sich der Wurzelballen mit seinen Ausläufern ausgraben. Falls dies arbeitstechnisch oder wegen der Gruppendynamik nicht möglich ist, sollten nach der Blüte die Blütenstände abgeschnitten und kompostiert werden. Wenn sich schon Samen gebildet haben, sollten diese fermentiert oder vergoren werden, um sie abzutöten.

Bei Schlingknöterich hilft nur, sie auszugraben oder die jungen Triebe über einen längeren Zeitraum direkt über dem Boden abzuschneiden, um die Pflanze auszuhungern. Der Einsatz natürlicher systemischer Herbizide wie Malveinsäure ist umstritten, da das Mittel nicht immer wirkt.

 


Wichtige Listen für Invasive Pflanzenarten (Beide Listen ergänzen sich in einigen Punkten)

https://neobiota.bfn.de/handbuch/gefaesspflanzen.html

http://www.neophyten-schweiz.ch/

 

Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2020 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten.

 

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