Terra Preta als Mittel zum nachhaltigen Humusaufbau

Ein Leserbrief von Roland Wolf


Symboldbild: Terra Preta Kohlemeiler

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Mit großem Interesse las ich in der letzten Ausgabe des Permakultur Magazins den Artikel von Joachim Schlageter über das Für und Wider des Einsatzes von Terra Preta als Gestaltungsinstrument für die Lenkung von Stoffströmen und als Mittel zur Humusanreicherung.

Die im Artikel aufgeworfenen Fragen, unter welchen Rahmenbedingungen sich die Einbringung pyrolisierten Kohlenstoffs als ökologisch nachhaltig und im Sinne der Gestaltungsprinzipien der Permakultur für Mensch, Klima, Pflanzen und Tiere langfristig als sinnvoll erweist, sind Kernfragen planerischer Tätigkeit bei der Gestaltung einer uns langfristig tragenden und nährenden Umwelt.

Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich ergänzend einige Anmerkungen zu den von Schlageter aufgeworfenen Bedenken vorbringen:

Historisch gesehen hat sich indigene Terra Preta im tropischen Amazonasbecken als Erfolgsrezept für die Tragfähigkeit präkolumbischer Hochkulturen erwiesen. Die Verwendung von Terra Preta erwies sich als hinreichendes und wahrscheinlich auch notwendiges Gestaltungselement, um die damaligen städtischen Hochkulturen auf ansonsten ertragsarmen und oxidierten Böden durch Waldgartenfeldbau zu ernähren.

Wie Schlageter erwähnt, hat indigene Terra Preta im Amazonasbecken „Kohlenstoff sehr langfristig im Boden, hunderte oder gar tausende von Jahren“ gespeichert. Die Zugabe von Holzkohlestaub oder Grus sowohl zur anaeroben Fermentierung als auch zur aeroben Kompostierung lieferte dem resultierenden Holzkohlekompost Stabilität. Diese war nötig, um die Terra-Preta-Bodenmatrix mit ihren Nährstoffen vor den durch das tropische Klima begünstigten Abbauprozessen zu schützen.

Reiner Kompost wäre für den Einsatz in einer vor mehr als fünfhundert Jahren im Amazonasbecken betriebenen intensiven Landwirtschaft nicht stabil genug gewesen, um das zivilisatorische Netzwerk städtischer Hochkulturen mit mehreren Millionen Einwohnern im Amazonasbecken mit ihren Überschüssen über Jahrhunderte zu ernähren. Wie an den heute noch existenten historischen Terra-Preta-Böden zu sehen, gelang den indigenen Kulturen die Einbindung der Holzkohle in die Bodenmatrix im Endergebnis hervorragend, ist diese doch bis heute stabil. Die Kniffe der damaligen Kompostierung und Fermentierung können wir nur erahnen.

Wie schnell und vollständig die stabile Einbindung der Holzkohlepartikel in die Bodenmatrix gelang, kann man den heute noch bestehenden Substraten nach jahrhundertelanger Durchwurzelung und Verwitterung dagegen nicht mehr ansehen. Der kürzlich verstorbene Brandenburger Biochemiker Dr. Jürgen Reckin hat immer betont, wie wichtig es ist, die Holzkohle dem Kompostmaterial gleich zu Anfang hinzuzufügen, um sie den Stoffwechselprodukten der beteiligten Bakterien und Pilze möglichst frühzeitig auszusetzen und damit biologisch zu „aktivieren“.

Es wird sich noch herausstellen, in welchem Maße Gesteinsmehle, Lehm, Eisen und andere Zuschlagstoffe die Bildung einer stabilen Terra-Preta-Bodenmatrix fördern.

Meine eigene Erfahrung mit dem Einsatz selbst hergestellter Substrate mit Holzkohlestaub auf sandigem Boden mit nur 19 Bodenpunkten im Permakulturpark des Lebensgartens Steyerberg bei den Professoren Margrit und Declan Kennedy hat jedoch deutlich gezeigt, dass moderne Terra-Preta-Substrate nur dann Aussicht haben, Stabilität zu erlangen, wenn der Boden kontinuierlich durchwurzelt und von Vegetation beschattet bleibt. In der präkolumbischen Regenwaldlandwirtschaft mit kleinteiligen und teilweise beschatteten Rodungsflächen war dies wahrscheinlich der Fall.

Nach großflächiger Rodung dagegen fehlt die lebendige Durchwurzelung des Bodens, sodass der Zufluss nährender Zuckerlösung aus der Photosynthese in die mit Pilzen und Bakterien besiedelte Bodenmatrix stockt. Infolgedessen beginnt der Boden, sich selbst zu „verdauen“. Ausbleichung und Auslaugung verstärken dann den Auflösungsprozess. Zurück bleibt der blanke Kohlenstaub, der sich schon nach ein bis zwei Jahren der Tätigkeit wühlender Bodenlebewesen verflüchtigt. Ohne schützende und nährende Vegetation scheint es, als wäre Terra Preta nie eingebracht worden. Die Sonne bleicht, der Regen wäscht aus und Ameisen und Würmer erledigen das Übrige.

Schlageter zitiert Fischer und Glaser, denen zufolge das Pflanzenwachstum bei Zugabe ganz normalen Komposts sogar höher sei als bei einer vergleichbaren Menge von Terra Preta.

Dies überrascht nicht, da reiner Kompost anfangs bei gleicher Masse mehr Nährstoffe bereithält als Terra Preta, die ja teilweise aus nicht umsetzbarem pyrolisierten Kohlenstoffgerüst besteht, wie auch Fischer und Glaser in ihrem Aufsatz an besagter Stelle anmerken.

Wird Terra Preta jedoch durch eine schützende Vegetationsdecke und nährende Durchwurzelung vor Auslaugung geschützt, kann sie sich weitaus dauerhafter erhalten als mit reinem Kompost angereicherte Erde. Dies beweisen die indigenen Terra-Preta-Böden, die sich selbst nach Jahrhunderten unter hochgradig oxidativen und zehrenden Bedingungen des Regenwalds erhalten haben. In der Energiebilanz kann dies unter Umständen ein entscheidender Faktor für die höhere Nachhaltigkeit von Terra Preta im Vergleich zu bloßem Kompost sein.

Einen wichtigen Einwand gegen Terra Preta liefert Schlageter hinsichtlich der Schadstoffbelastung der verwendeten Holzkohle. Dieser Einwand mag zwar bei unzureichend geregelten Herstellungsprozessen gelten, doch wie Schlageter selbst richtigerweise hinzufügt, können Herstellungsverfahren und Endkontrolle einwandfrei geregelt werden. Mit dem Europäischen Pflanzenkohle-Zertifikat besteht bereits eine Norm, die auch Low-Tech-Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen einhalten können.

Es ist richtig, dass die Holzkohleerzeugung Energie freisetzt. Hierbei handelt es sich jedoch ausschließlich um dem kohlenstoffhaltigen Ausgangsmaterial innewohnende chemische Bindungsenergie, die den Prozess befeuert, ohne dass externe Energie zugeführt werden muss. Bei der Pyrolyse handelt es sich im Grundsatz um einen exothermen Prozess, der eine bestehende Ordnung chemischer Bindungen auflöst und die Entropie, also die Unordnung im System, steigert. Ohne ganzheitliches Wärmenutzungskonzept befeuerte man tatsächlich Energieverschwendung.

Doch auch bei der Kompostierung finden organische Verbrennungsprozesse statt, die CO2 freisetzen. Dies ist bei der fermentativen Milchsäuregärung nur anfangs der Fall. Im zweiten Schritt handelt es sich jedoch um einen anaeroben, die Energie und Masse weitgehend konservierenden Prozess, weswegen er seit Menschengedenken in der Lebensmittelaufbewahrung eine Rolle spielt. Allerdings finden die oxidativen Abbauprozesse – und damit der Energie- und Masseverlust – dann nach der Ausbringung des fermentierten Substrats in den Boden statt.

Es wird zurecht eingewandt, dass man die bei der Pyrolyse als Verbrennungsgase verloren gegangenen Nährstoffe der Holzkohle hinterher aufwendig wiederzuführen muss. Der Prozess rechnet sich daher nur, wenn Energie- und Nährstoffverlust in der Herstellung von Terra Preta weniger ins Gewicht fallen, als ein vergleichbares Substrat ohne Biokohle periodisch mit Kompost nachzufüttern. In der von Bodenabbau bedrohten Landwirtschaft im tropischen Regenwald des Amazonas war dies historisch gesehen der Fall, vor allem, wenn Holzkohlestaub als Abfallprodukt der Metallverarbeitung anfiel und der sowieso betriebenen Kompostierung oder Fermentierung gleich zu Beginn beigefügt wurde. Holzkohlestaub als Einstreu in der Komposttoilette reduziert zudem die Entstehung von Fäulnisgasen sowie Krankheitserregern und konserviert Nährstoffe. Für die indigenen Hochkulturen im Amazonas muss dies neben der Düngemittelproduktion die ideale Epidemieprophylaxe gewesen sein.

Viel schwerer wiegt jedoch der häufig erhobene Vorwurf, die Holzkohleherstellung führe zu Vegetationsverlust und Entwaldung.

Terra Preta als Gestaltungselement ergibt nur dann Sinn, wenn ihre Verwendung als Bodenhilfsstoff im Endresultat die Vegetation stärkt oder zumindest nicht schwächt. Dies scheint bei der historischen Verwendung im Amazonasbecken der Fall gewesen zu sein. Allerdings darf man hierbei nicht außer Acht lassen, dass nach der weitgehenden Vernichtung der dortigen Hochkulturen durch europäische Keime und Waffen der heute scheinbar natürliche Regenwald ausreichend Zeit hatte, sich von den etwaigen Folgen der indigenen Landwirtschaft zu erholen. „Natürlicher Urwald“ ist der Regenwald unter Einfluss der indigenen Hochkulturen gewiss nicht gewesen. Auf jeden Fall ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll, für die Pyrolyse auf kohlenstoffreiche Abfälle wie zum Beispiel Nussschalen zurückzugreifen, weswegen statt Holzkohle heute eher die Begriffe Pflanzen- oder Biokohle Verwendung finden.

Schlageter stellt die „Natürlichkeit“ der Pyrolyse von Holzkohle in Frage. Sauerstoffarme Verschwelung ist unzweifelhaft ein in der Natur vorkommender Prozess. Es ist zwar richtig, dass der Mensch diesen Prozess aufkonzentriert, verdichtet und abschirmt. Doch alle Lebewesen gestalten ihre Umwelt gemäß ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen mit unterschiedlichen Prozessen. Es gibt keinen Grund, wieso der Mensch hier eine Ausnahme darstellen sollte.

Schlageter gibt außerdem zu bedenken, dass der Anreicherungsprozess durch Terra Preta unumkehrbar zu werden drohe. Wie wir jedoch gesehen haben, kann sich Terra Preta ohne schützende Vegetation auch wieder verflüchtigen. Angesichts der drohenden Unumkehrbarkeit des Klimawandels werden wir gewiss noch einmal froh sein, wenn es uns gelingt, durch Photosynthese CO2 in großem Maßstab aus der Atmosphäre zu „ernten“ und als Biokohle dauerhaft in der Erde fruchttragender Waldgartenlandschaften einzulagern.

Fazit: Humusbildung im Sinne der Dauerhumusbildung im Ton-Humus-Komplex ist immer wünschenswert, doch nicht auf allen Böden möglich. Für eben solche oxidierten oder zu sandigen Böden ist Terra Preta eine äußerst wirksame Alternative. Mit Terra Preta und der darauf entstehenden Vegetation können wir enorme Mengen Kohlenstoff aus der Atmosphäre filtern und damit weltweit schwierige Böden verbessern. Aus dem CO2-Problem in der Luft wird eine die Fruchtbarkeit steigernde Lösung in der Landnutzung.

 


Roland Wolf unternimmt seit 2005 Versuche zur Herstellung von Terra Preta. Er ist in Duisburg nebenberuflich Dozent für Umweltbildung und betreibt Bodenverbesserung in mehreren Garteninitiativen.

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