Krise als Chance
Und dann kam Corona. 2020 und 2021 hatten wir alle gezwungenermassen Zeit, unser Mobilitätsverhalten zu überdenken. Man kann das als Problem betrachten, weil es nicht mehr so ist wie früher. Oder aber als Chance sehen, damit es nicht mehr so wird wie früher. Denn der ökologische und soziale Preis für die Reisefreiheit privilegierter Gesellschaftsschichten ist bekannt. Reisen ist laut einer Studie der Universität Sydney inzwischen für etwa acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Dazu kommen Umweltschäden in den Urlaubsregionen, zum Beispiel durch erhöhtes Abfallaufkommen, die Zerstörung von Lebensräumen für den Bau von Ferienanlagen und einen erhöhten Trinkwasser- und Energieverbrauch. Die Anwesenheit von Reisenden hinterlässt viele Spuren und schafft zwar Arbeitsplätze, aber eben auch Abhängigkeiten. In einigen Regionen der Erde macht der Tourismus einen Grossteil des Bruttoinlandsproduktes aus und viele Existenzen sind durch den pandemiebedingten ausbleibenden Reiseverkehr bedroht. In Zukunft werden sicherlich global zwei Fragen zu beantworten sein: Wie können Regionen wirtschaftlich wieder resilienter und unabhängiger von globalen Vernetzungen werden? Und wie lassen sich Reisen zukünftig gestalten, damit neue Horizonte erreichbar sind, aber möglichst wenig Schaden entsteht?
Von nachhaltig zu regenerativ
Eine mögliche Antwort auf die zweite Frage möchten zertifizierte Biohotels, der CO2-Ausgleich für Flugkilometer, E-Bike-Tourismus und viele weitere grüne Strategien sein. Nachhaltiges Reisen als Ökoversprechen könnte man bösartig auch als Greenwashing oder Pflaster fürs Gewissen bezeichnen.
Aber verbraucht das Reisen zwangsläufig mehr Energie und Ressourcen, als es schaffen kann? Wäre es nicht auch möglich, die Welt dabei sogar ein wenig besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat? Eine Art regeneratives Reisen sozusagen?
„Didier und sein Sohn waren eine Woche bei uns in Kettewitz“, erzählt beispielsweise Ulrike Meißner von ihrem Permakulturprojekt in Sachsen. „Sie haben das Landleben genossen, sich über die Tiere gefreut, ein Hühnerhäuschen gebaut, und der Junge hat mit Begeisterung Brombeeren verschnitten – yeah, großartig, das musste ich dann das restliche Jahr über nicht mehr machen!“ Eine Auszeit kann man also zum Beispiel mit klimafreundlich nahegelegenen Zielen verbinden, dabei aktiv lokale Projekte unterstützen und viele neue Erfahrungen und Fähigkeiten mit nach Hause nehmen. Hier stellen wir Euch einige permakulturelle Projekte vor, die Euch gerne beherbergen und sich über Eure Mithilfe freuen.
Eschenhof Kettewitz
Wo: D-01665 Klipphausen OT Kettewitz, zwischen Dresden und Meißen
Das gibt’s zu tun: privater Teil-Selbstversorgerhof mit Tierhaltung, Gemüsegarten und großem Gelände – Pflegearbeiten, Holzmachen, Bauprojekte
Und sonst: Führungen und Beratung
Unterkunft: nur in der warmen Jahreszeit, einfache Zimmer im Haus oder Zelt
Kontakt: Ulrike Meißner, ulrike.meissner@permakultur.de
Permakulturpark am Lebensgarten Steyerberg
Wo: D-31595 Steyerberg, Ökodorf in Niedersachsen
Das gibt’s zu tun: Praktika und Mitarbeit in der Solidarischen Landwirtschaft, Einsatzstelle für Bundesfreiwillige, Terra-Preta-Herstellung.
Und sonst: Kurse und Workshops
Unterkunft: auf Anfrage im Ökodorf Lebensgarten Steyerberg im Gästehaus oder in privaten Zimmern möglich
Kontakt:www.permakulturpark.de, info@permakulturpark.de
Alpine Permakultur Schweibenalp
Wo: CH-3855 Brienz, 1100 m über dem Meer, Nordhang
Das gibt’s zu tun: Mitarbeit in den Kräuter-, Stauden-, Gemüse-, Saatgut- und Pilzgärten, der Imkerei sowie in Wasser- und Wildniszonen
Und sonst: Gartenführungen, Permakultur Design Kurse, Einführungs- und Vertiefungskurse
Unterkunft: Gästehaus
Kontakt: www.alpine-permakultur.ch, info@alpine-permakultur.ch
Garten Der Vielfalt, Schloss Glarisegg
Wo: CH-8266 Steckborn, direkt am Ufer des Bodensees
Das gibt’s zu tun: vierwöchige Mitarbeit als working guest oder einjähriges Volontariat im 4.000 Quadratmeter großen Gemeinschaftsgarten, Enten- und Hühnerpflege, Pilze, Gemüse, Obst, Kräuter
Und sonst: „Gartenmorgen zum Mitschaffen“ für lokal Ansässige, Kursprogramm
Unterkunft: Gästehaus
Kontakt: www.permakultur-bodensee.ch, permakultur-bodensee@gmx.ch
Lern- und Demonstrationshof Permakultur Auenhof
Wo: CH-8714 Feldbach, am Zürichsee
Das gibt’s zu tun: landwirtschaftliche Tätigkeiten wie Ziegenpflege, Enten- und Hühnerställe säubern, Wiesen heuen, Zäune erstellen, Gemüse, Kräuter, Obst, Pilze, Kompostieren, tage- oder monatsweise Mithilfe bei Aufbau und Pflege des Waldgarten- und Agroforstsystems möglich
Und sonst: Permakultur Design Kurse, Einführungs- und Vertiefungskurse
Unterkunft: im Heu, Zelt, Bus oder unter freiem Himmel
Kontakt: www.down-to-earth.ch, www.permakultur-auenhof.ch
Hof zu den 7 Zwetschken
Wo: A-2731 Gerasdorf am Steinfeld, Niederösterreich
Das gibt’s zu tun: Alles rund um die Selbstversorgung, vom Ziegenmelken, Käse machen, Gemüseanbau, Wildkräuter sammeln, aber auch Imkerei, Versorgen der Kaninchen, Kamerunschafe, Hühner und Laufenten sowie Schnapsbrennen
Und sonst: Wwoof-Betrieb, Käse- oder Kräuterkurse, Montessori-Kinderhaus
Unterkunft: für Einzelpersonen im familiären Rahmen gegeben
Kontakt: www.7zwetschkenhof.at, mail@7zwetschkenhof.at
Frei-Hof
Wo: A-3910 Zwettl
Das gibt’s zu tun: Mithilfe beim Anbau und Verarbeiten von Kräutern, Obst und Gemüse
Und sonst: Schaugarten, Führungen, Kursprogramm
Unterkunft: in einem der beiden Wohnwaggons im Kräutergarten
Kontakt: www.sonnentor.com/de-at/besuchen/angebote
Weitere Reiseziele auf unserer Landkarte mit Permakultur Praxisorten, unter www.eurotopia.de oder auf www.wwoof.net
Buchtipp: Über den Tellerrand braucht es keine Fernreise
Der Weg ist das Ziel, so die Überzeugung der Nachhaltigkeitsbloggerin Julia-Maria Blesin. Wie ihr besonders ressourcenschonend zu den hier vorgestellten Projekten kommen könnt, erklärt sie in ihrem Ratgeber. Dabei zeigt die Autorin auf, dass die Reise mit einem Campingbus bei nicht voller Auslastung überraschenderweise pro Person höher ins CO2‑Gewicht fällt als die Anreise mit dem Flugzeug. Doch damit Nachhaltigkeit nicht zu einer dogmatischen Liste von Verboten und Verzichten verkommt, liefert sie jede Menge Beispiele und Praxistipps für die Planung von Reiseabenteuern, ob zu Fuss, auf dem Rad, mit der Bahn oder eben doch im eigenen Van. Wer dabei die Auswirkungen der eigenen Reiseplanung herausfinden möchte, dem empfiehlt sie den Fussabdruck-Rechner der Technischen Universität Graz.
Green travelling. Einfach nachhaltig reisen. Urlaubsziele & Planung von A bis Z , Julia-Maria Blesin, oekom Verlag, 192 Seiten. ISBN: 978-3-96238-283-4.