Randzone Stadtrand

Ein persönlicher Blick in David Holmgrens Buch Retrosuburbia


Mit seinem wunderbaren, 2018 erschienenen Buch richtet sich David Holmgren vor allem an ein lokales Publikum in Südaustralien, wo sich die meisten der beschrieben Beispiele sowie Holmgrens Farm Melliodora befinden. Dennoch kann es auch für uns Mitteleuropäer eine Quelle der Inspiration und Hoffnung sein, ist es doch Nachschlagewerk und Manifest in einem und präsentiert eine vielfältige und gut durchdachte Zukunftsvision für das Leben in enkeltauglichen Vorstädten.

Für Holmgren sind die Vorstädte deshalb so interessant, weil er davon ausgeht, dass hier eine landwirtschaftliche Produktivität entstehen kann und diese gefördert werden müsste. Im Gegensatz dazu steht die althergebrachte Strategie, lediglich die Verdichtung der Städte in den Fokus zu nehmen und damit das Bauen in die Fläche hinein zu verhindern. Dabei spricht Holmgren vor allem über die Vorstädte in Australien, die immens viel Fläche einnehmen. Genau diese Fläche soll in Zukunft zur Produktion von Lebensmitteln verwendet werden und damit die Städte in der Nähe mitversorgen.

Es geht also ganz konkret darum, unsere Vorstädte für eine Zukunft, die mit weniger Energie auskommen muss, vorzubereiten. Dabei geht Holmgren von einer Zukunft aus, in der wir alle weniger Zugang zu billiger Energie haben werden, weil die Fördermengen von fossilen Brennstoffen rückläufig sind. Weiterhin geht er davon aus, dass es auf Grund des Klimawandels und der allgemeinen Übernutzung von natürlichen Ressourcen lokale und weniger komplexe Lösungen für viele alltägliche Probleme brauchen wird.

Holmgren folgt dem Prinzip »Gestalte vom Muster zum Detail«. Zunächst wird im ersten Abschnitt des Buches das Konzept der resilienten Vorstädte genau erklärt, um dann in den nächsten Kapiteln konkret auf einzelne Bereiche angewendet zu werden. Die Vorstädte als Verbindungsglied zwischen Stadt und Land werden zum Zentrum einer lebendigen und produktiven Hauswirtschaft, die wir eher mit ländlicher Selbstversorgung assoziieren. In der Vorstadt profitiert sie von räumlich engen Verbindungen zur  Nachbarschaft.

In der enkeltauglichen Vorstadt werden die Häuser energetisch saniert wobei ein großer Schwerpunkt auf die Verwendung von gebrauchten oder sehr langlebigen Materialien gelegt wird. Die Vorgärten werden ganz der Lebensmittelproduktion gewidmet sowie Garagen zu kleinen Werkstätten oder Ställen für Tiere umgewandelt. Holmgren betont immer wieder, dass es nicht darum gehe, alles alleine zu machen, sondern vieles gemeinsam zu tun.

»Do it ourselves« anstelle von »do it yourself«. Demnach gibt es nach wie vor Menschen, die sich auf Gebieten spezialisieren, beispielsweise Fahrradmechaniker oder Imkerinnen, der Austausch findet jedoch lokal und oft auch im Tausch zu anderen Leistungen statt. Die praxisbezogenen Themen sind vielfältig. Umfassend sind beispielsweise die Funktionen, die ein Gebäude erbringen muss, um einen resilienten Lebensstil zu ermöglichen. Da geht es etwa um Stromerzeugung, Abwasser, Raumnutzung und Lagerung von Lebensmitteln. Dem Thema Heizen wird besonderer Raum geben, wobei sich Holmgren für das Heizen mit Holz stark macht. Auch wenn es ums Gärtnern geht, spürt man die vielen Jahre Erfahrung des Autors, der sich zunächst den Böden widmet. Hier wie an andere Stelle wird deutlich, wie sehr sich die australischen Böden von den unseren unterscheiden.

Die Haltung von Tieren wird mit extensiver und mancher intensiver Anbaufläche kombiniert. Spannend ist das Beispiel von David Holmgrens Frau Sue Dennett und ihren Ziegen. Es zeigt, wie sich öffentliche Flächen eignen, um Win-Win-Situationen zu erzeugen. Die Ziegen weiden in den Bereichen, wo sonst mit viel Mühe und lauten Maschinen Brombeeren oder Brennnessel zurückgedrängt werden müssten. Diesen Service übernehmen Sue und ihre Tiere kostenlos und erweitern damit nicht nur ihre Weideflächen sondern auch die Vielfalt der Nahrung für die Milchziegen.

Die größte Möglichkeit der Veränderung sieht Holmgren weder in der Nachbarschaft, noch in der Politik, sondern in unserem persönlichen Verhalten. Deshalb ist es ihm ein Anliegen, uns die Muster unserer Entscheidungen und Handlungen sichtbar zu machen. Die persönlichen Verhaltensmuster lassen sich in vielen Schichten beleuchten. Er stellt beispielhaft seine verschiedenen Rollen und die seine Frau vor. David übernimmt in Melliodora die Bereiche Bauen, Heizen und Garten. Sue kümmert sich um die Ziegen, Bienen und Hühner und hat das Thema Lagerung und Verarbeitung von Lebensmittel im Blick.

Holmgren zeigt sich in diesem Buch wiederum als besonnener Denker, der an die Vielfalt der Möglichkeiten glaubt und keine Scheu hat, auch persönliches zu teilen.

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