Projekte verwirklichen mit Methoden von Dragon Dreaming

Jedes Projekt, ob groß oder klein, beginnt mit einem Traum. Mit der Idee oder Vorstellung davon, wie etwas in dieser Welt anders, vermutlich besser sein könnte: Wie könnten wir nachhaltig bauen und wohnen? Wie könnte Bildung besser gelingen? Was schenkt uns echte Gesundheit und Wohlbefinden? Meist kommen und gehen die Impulse. Wir verfolgen sie nicht weiter. Doch manchmal lässt uns ein Gedanke, eine Idee, ein Traum nicht mehr los. Dann fangen wir vielleicht an, anderen Menschen davon zu erzählen. Der Traum wächst in uns.


Das Projektrad bildet die theoretische und praktische Basis für die Projektgestaltung mit Dragon Dreaming. Die beiden Achsen zwischen »Individuum« und »Umwelt« sowie zwischen »Theorie« und »Praxis« bilden die vier Phasen »Träumen«, »Planen«, »Handeln« und »Feiern«. (Grafik: Ilona Koglin)

von Ilona Koglin

Dragon Dreaming bietet eine ganze Palette von Methoden, um Projekte nachhaltig, kollaborativ und ganzheitlich zu gestalten. Zum Wohle allen Lebens auf diesem Planeten. Damit passt der Ansatz von Dragon Dreaming sehr gut zur Permakultur. Jedes Projekt, ob groß oder klein, beginnt mit einem Traum. Mit der Idee oder Vorstellung davon, wie etwas in dieser Welt anders, vermutlich besser sein könnte: Wie könnten wir nachhaltig bauen und wohnen? Wie könnte Bildung besser gelingen? Was schenkt uns echte Gesundheit und Wohlbefinden?

Meist kommen und gehen die Impulse. Wir verfolgen sie nicht weiter. Doch manchmal lässt uns ein Gedanke, eine Idee, ein Traum nicht mehr los. Dann fangen wir vielleicht an, anderen Menschen davon zu erzählen. Der Traum wächst in uns. Vielleicht findet sich ein Team zusammen, das ihn gemeinsam weiter verfolgt. Die Konturen werden immer schärfer. Die Gemeinschaft schmiedet Pläne … Irgendwann hat die Idee so an Festigkeit gewonnen, dass feststeht: »Wir machen das! Wir verwirklichen diesen Traum!« Ein neues Projekt ist geboren: ein selbst gewähltes Ziel innerhalb eines selbst bestimmten Zeitraumes zu erreichen.

Diese Entstehungsgeschichte von Projekten kennen vermutlich so gut wie alle Menschen. Permakultur Designer und Designerinnen auf jeden Fall. Denn jedes Themengebiet der Permakulturblume von Mollison und Holmgren bietet Gelegenheit für unzählige Projekte. Doch wie gestalten wir eigentlich unsere Projektarbeit? Diese Frage zu beantworten, lohnt sich. Denn jedes Projekt ist eine Gelegenheit für uns zu lernen: über uns, über unser Miteinander mit Anderen und unseren Umgang mit der Welt.

Die drei Prinzipien

Die Methoden und Herangehensweisen von Dragon Dreaming helfen dabei, sich dieser Aspekte bewusster zu widmen. Zum Beispiel verfolgen alle Dragon Dreaming Projekte grundsätzlich drei übergeordnete Ziele:
1. Individuelles Wachstum: Jedes Dragon Dreaming Projekt soll jedem daran beteiligten Individuum ermöglichen, über sich hinauszuwachsen und zu lernen.
2. Gemeinschaftsbildung: Jedes Dragon Dreaming Projekt soll Vertrauen, Motivation und Verbundenheit im Team fördern.
3. Dienst an der Erde: Jedes Dragon Dreaming Projekt soll die Natur (Mama Pacha) zumindest schützen, im Idealfall aber auch das heilen und wiederherstellen, was wir Menschen bereits zerstört haben.

Indem ein Dragon Dreaming Projekt diese drei übergeordnete Ziele verfolgt, kann es auch dann noch erfolgreich sein, wenn es sein eigentliches Projektziel nicht erreicht: Ich kann auch aus einem gescheiterten oder misslungenen Projekt viel lernen. Solch eine geteilte Erfahrung kann die Verbindung zwischen Menschen stärken. Und es kann dennoch ein positives Ergebnis für die Natur, die Erde gehabt haben. Es ist befreiend und bereichernd, diese zusätzliche Dimension in allen Projekten zu sehen. Sie lassen uns in der Regel erkennen, wie viel reicher uns unsere Projekte beschenkt haben, als wir zunächst dachten. Das erzeugt Dankbarkeit, Zufriedenheit und damit in der Regel gute Gesundheit, Zuversicht und Tatenfreude.

Die Geschichte von Dragon Dreaming

Dass Dragon Dreaming diese tiefere, transformative Dimension hat, hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen: Die beiden Aktivisten und Lehrenden Vivienne Elanta und ihr Mann John Croft gründeten, nachdem sie beide in der gleichen Nacht davon geträumt hatten, in Australien die Gaia Foundation. Ihr Zweck sollte es sein, Projekte des Wandels zu unterstützen und zu ermöglichen. Über viele Jahre hinweg arbeiteten sie mit unzähligen Gemeinden, Organisationen und Aktivistinnen zusammen. Inspiriert unter anderem von der Systemtheorie Gregory Bateson, der Befreiungspädagogik Paolo Freires und den Weisheiten der Indigenen Australiens, entwickelten die beiden dabei nach und nach verschiedene Theorien und Methoden.

Nachdem Vivienne Elanta 2007 gestorben war, trug John Croft diese unter dem Titel »Dragon Dreaming« in die ganze Welt. Seitdem verbreitet sich Dragon Dreaming vor allem im Global Ecovillage Network (GEN), dem Transition Town Movement, im Bereich der Permakultur sowie der Community der Gewaltfreien Kommunikation. Aber auch darüber hinaus gewinnt Dragon Dreaming immer mehr Anhängerinnen. Es findet auch im Bereich der Kultur und Bildung, bei Organisationen und Purpose-Unternehmen sowie bei Start-ups und Aktivisten immer mehr Anwendung.

Das Projektrad

Neben den drei Prinzipien ist das Projektrad eine ganz wesentliche Basis. Es ist ein Gestaltungs- und Analyse-Werkzeug in einem: Es dient als Orientierung, um die verschiedenen Methoden zu einer sinnvollen Prozesskette zusammenzufügen. Und es gibt Hinweise bei Blockaden und Stillständen auf mögliche Ursachen: »Wo stehen wir gerade im Projekt? Und was könnte uns hier aufhalten?«. Wichtig sind zunächst die beiden Achsen zwischen »Individuum« und »Umwelt« sowie zwischen »Theorie« und »Praxis«. Beide Achsen markieren wichtige Pole:

  • Auf der Achse zwischen den Polen »Individuum« und »Umwelt« geht es um die Ressourcen – die Energie, die Informationen, die Materie, die Kreativität, die zwischen Individuum, Team und dem Projektumfeld fließen sollten, damit ein Projekt erfolgreich ist.
  • Auf der Achse zwischen den Polen »Theorie« und »Praxis« geht es um das Lernen. Als Traum und Plan ist ein Projekt reine Theorie. Erst durch die Umsetzung erkennen wir, was möglich ist und was nicht. So lernen wir. Sich in der Theorie zu verheddern, nennen wir im Dragon Dreaming die »Analyse Paralyse«. Solche Menschen oder Teams haben Schwierigkeiten, ins Handeln zu kommen. Sich nur in der Praxis aufzuhalten und das eigene Handeln nicht zu reflektieren, birgt die Gefahr von blindem Aktionismus.

Aus diesen zwei Achsen ergeben sich vier Phasen:

  1. Das Träumen: Geprägt von den Achsen »Individuum« und »Theorie« ist dies eine Phase der inneren Kreativität, der Visionen, der Konzepte, Theorien und der Träumereien.
  2. Das Planen: Zwischen »Theorie« und »Umwelt« angesiedelt, geht es hier darum, wie sich die Träume und Ziele konkret erreichen lassen. In der Auseinandersetzung mit der Umwelt zeigt sich, was vielleicht nicht machbar ist – aber auch, wo es Chancen gibt, an die zuvor nicht gedacht wurde.
  3. Das Handeln: Beeinflusst von den Achsen »Umwelt« und »Praxis« geht es hier an die Verwirklichung unserer Ideen, Träume und Pläne.
  4. Das Feiern: Bestimmt von den Achsen der »Praxis« und des »Individuums« geht es hier nicht nur um fröhlich-feuchtes Beisammensein und Genuss. Es geht vor allem um die innere Einkehr, die Rückschau und Auswertung, die Reflexion. In dieser Phase findet Lernen statt. Es entstehen Dankbarkeit, (Selbst)Vertrauen, Weisheit und Zufriedenheit.

Projekte resilient und ganzheitlich gestalten

Alle vier Phasen sollten in einem Projekt zu gleichen Teilen vorhanden sein. Nur dann ist unsere Arbeit ausgewogen und gesund. Das ist keineswegs üblich. Normalerweise bewegen wir uns in unserer Leistungsgesellschaft zwischen dem Planen und Handeln hin und her. Nur selten gönnen wir uns kurze Momente des Feierns (meist nach großen Konflikten, schmerzhaften Fehlern oder gar Scheitern). Noch seltener erlauben wir uns das Träumen – also zum Beispiel die Frage »Was will ich wirklich wirklich gerne tun?« Oder auch »Was braucht die Welt?« (unabhängig von der kommerziellen Verwertbarkeit einer Idee).

Doch wer zwischen Planen und Handeln hin und her hetzt, brennt psychisch und physisch mit der Zeit aus. Die steigenden Burn-out-Raten sprechen für sich. Damit eine Planung mit vier Vierteln gelingt, hilft die Vorstellung, dass das Projektrad – und damit jedes Projekt – fraktal ist. Das bedeutet, dass es in sich selbstähnlich ist. Oder anders gesagt: Jedes Projekt besteht aus unzähligen Teilprojekten, die ebenfalls die vier Phasen durchlaufen. Wer zum Beispiel die Zeit mit einbezieht, erkennt, dass uns jedes Jahr, jeder Monat, jede Woche und jeder Tag die Möglichkeit liefert, ein großes Projekt in viele kleine aufzuteilen. Wer also einen Tag gemäß der vier Phasen gestaltet, kommt – auf Ganze gesehen – bei einer ausgewogenen und damit
ganzheitlichen Projektgestaltung heraus.

Unsere Arbeits- und Projektkultur nach diesem Modell auszurichten, ist in unserer Kultur der permanenten Leistungssteigerung eine Herausforderung. Eine, die selbst erfahrenen Dragon Dreamerinnen nicht immer meistern. Doch wer sich daran versucht, wird eine große Veränderung in seiner Arbeit, ja seinem ganzen Leben feststellen: Wo das Feiern und Träumen mehr Raum und Aufmerksamkeit bekommen, verändert sich die innere Haltung und die Perspektive auf sich, die Anderen und die Welt.


Erste Schritte in Dragon Dreaming

Dragon Dreaming ist Creative Commons. Jede und jeder kann die Methoden lizenzfrei für sich verwenden. Im kostenfreien E-Book findest du eine Beschreibung der Basis-Methoden. An dieser Stelle soll es vier Tipps als Appetitanreger geben – pro Phase einen:

  • Träumen: Frage dich zu Beginn deines nächsten Projektes »Wie müsste das Projekt aussehen, damit ich am Ende sagen kann ›Besser hätte ich meine Zeit nicht verbringen können als mit diesen Menschen und diesem Projekt!‹?« Wenn du das Projekt im Team machst, dann beantwortet alle der Reihe nach diese Frage. Notiert euch eure Träume und schaut während der Planung und Umsetzung immer mal wieder darauf.
  • Planen: »Was müssen wir tun oder was muss geschehen, damit wir hundert Prozent unserer Träume verwirklichen? «. Nehmt euch circa zehn Minuten in Stille Zeit. Alle Teammitglieder notieren ihre Antworten auf diese Frage auf Post-Its (pro Zettel eine Antwort). Clustert die Antworten zu sechs bis acht Spalten und gebt diesen eine Überschrift. Dies sind eure Teilziele oder Teilprojekte.
  • Handeln: Suche ein Projekt aus, das du gerade umsetzt. Überlege dir: »In welcher der vier Phasen halte ich mich in diesem Projekt am meisten auf ? Warum ist das so? Und wie geht es mir damit?«
  • Feiern: Überlege dir einmal, in welcher der vier Phasen du dich in deinem Arbeitsalltag gerne öfter aufhalten würdest – oder wo du gerne mehr dazu lernen und »besser « werden würdest? Tausche dich mit einem Menschen deines Vertrauens darüber aus, warum das so ist: Was hindert dich daran? Was könntest du tun, damit dies geschieht?

Ilona Koglin ist Autorin, Journalistin und Dragon-Dreaming-Facilitatorin aus Hamburg. Sie gibt Workshops, bildet Dragon-Dreaming-Trainerinnen aus und berät öko-faire Projekte und Organisationen bei ihrer Kommunikation und Projektorganisation.


Hier geht's zum E-book.

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