Permakultur-Produkte im Supermarktregal – Chance oder Risiko?

Unter der Marke »Permakultur bei real,-« sind seit 2014 Nahrungsmittel aus „permakulturellem Anbau“ in den Filialen der Supermarktkette  real,- erhältlich. Möglicherweise kann der Begriff „Permakultur“ dadurch eine neue Öffentlichkeitswirksamkeit erfahren, aber lässt sich diese großflächige Vermarktung mit unserem Verständnis von Permakultur in Einklang bringen?


Verschiedene Personen aus dem Verein haben diese Stellungsnahme erarbeitet und in Abstimmung mit dem Lenkungskreis veröffentlicht.

Hintergrundinformationen zu unserem Verständnis von Permakultur als systemischem Gestaltungsansatz mit fester Wertebasis können unter »Permakultur« nachgelesen werden.

Permakulturprodukte bei real,-

Seit 2014 bietet die Supermarktkette real,- Nahrungsmittel aus „permakulturellem Anbau“ an und baut die Marke »Permakultur bei real,-« mit einer verstärkten Marketingaktivität seit Ende 2016 aus. Die Produkte werden von dem Bio-Großhandel Lehmann natur sowie einigen regionalen Produzenten geliefert. Für ein internes Zertifizierungssystem zur Qualitätssicherung wurden „Richtlinien“ entwickelt, die Zulieferer für Permakultur-Produkte einhalten müssen.

So erfreulich es ist, dass Permakultur durch diese Vermarktung in die breite Öffentlichkeit gelangen könnte, stellt sich dennoch die Frage, ob die Vermarktung von Produkten aus "permakulturellem Anbau" nach den genannten Richtlinien durch einen Großkonzern mit dem oben beschriebenen Verständnis von Permakultur zusammenpasst.

Rückbezogen auf unsere gestalterische Arbeit mit  Permakultur ergeben sich folgende Probleme:

  • Permakultur ist eine Haltung und eine Planungsstrategie. Sie lässt sich als Ganzes nicht in Richtlinien ausdrücken, deren strikte Befolgung „Permakulturprodukte“ hervorbringt. Der kreative Schritt der Gestaltung ist für die Arbeit mit Permakultur essentiell und folgt keiner linearen Logik.
  • Permakultur umfasst alle Ebenen der Nachhaltigkeit. Eine ökologische Arbeitsweise muss durch eine positive Gemeinwohl-Bilanz ergänzt werden, darf die Erzeuger*innen nicht in prekäre Vertragsverhältnisse einbinden und muss deren ökonomische Unabhängigkeit fördern.
  • Permakultur hat den Anspruch, den Einsatz nicht-erneuerbarer Energien und Rohstoffe zu minimieren und fördert schon deswegen regionalen Anbau und Vermarktung.
  • Permakultur stärkt die Beziehung zu unserer Mitwelt sowohl auf sozialer als auch auf ökologischer Ebene. Sie ist ein Weg zur Selbstbestimmung und zur Transparenz. Zwischenmenschlicher Kontakt ist notwendig für die Schaffung von Vertrauen und Wertschätzung. Direktvermarktung und Solidarische Landwirtschaft sind daher primär durch Permakultur favorisierte Vertriebswege.
  • Aus permakultureller Sicht ist ein lediglich am ökonomischen Gewinn orientiertes Handeln ein systemimmanenter Fehler, der nur zum Zusammenbruch führen kann, und eine Überwindung dieser Maxime unbedingt notwendig. Dies mag utopisch erscheinen, ist aber vor dem Hintergrund mannigfaltiger globaler Krisen im Grunde keine Frage der Wahlmöglichkeit mehr.

Auf den ersten Blick muss aus diesen Punkten heraus eine Verweigerung gegenüber der anonymen Vermarktung von Permakulturprodukten durch eine Supermarktkette entstehen.

Aber auch das wäre aus permakultureller Sicht der falsche Weg. Permakultur zeichnet eine Vision, die an vielen Orten schon gelebt und gesamtgesellschaftlich angestrebt wird. Nun gilt es, den Prozess, mit dem wir dies erreichen wollen, zu gestalten und alle nützlichen Ressourcen auf dem Weg dorthin sinnvoll einzusetzen und allen möglichen Gefahren dabei vorausschauend zu begegnen.

Dass ein Konzern wie real,- innerhalb seiner unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung der Vermarktung von Permakultur einen so hohen Stellenwert einräumt, dass ein Fachbeirat gegründet und ein eigenes Zertifizierungssystem entwickelt wird, bewerten wir zunächst als eine Chance. Es ist eine Chance für Landwirt*innen, die sich über den reinen Bioanbau hinaus weiterentwickeln möchten, aber keine Direktvermarktungsstrukturen haben oder für die eine Umstellung auf Solidarische Landwirtschaft ein zu großer Schritt ist. Sie ist eine Chance, Menschen zu erreichen, die außerhalb des informierten Biokonsument*innenkreises einkaufen. Und es ist eine Chance, weil ein wirtschaftlich engagierter Partner seine politische Macht nutzen kann, den Ausbau einer zukunftsfähigen Form der Landwirtschaft voran zu bringen.

Natürlich birgt dieser Weg auch Risiken – wie z.B. eine missverständliche Deutung und Handhabung des Begriffes der Permakultur - die man sich bewusst machen muss, und für die es Strategien der Begegnung braucht. Die bisher verfassten „Richtlinien“ für permakulturellen Anbau dürfen allenfalls als zaghafter Anfang betrachtet werden, da sie unseren Vorstellungen einer echten sozialen und ökologischen Wirtschaftsweise noch lange nicht genügen, und sich generell die Frage stellt, ob „Richtlinien“ das richtige Instrument sind, um Permakultur dem jeweiligen Kontext entsprechend umzusetzen. Das Permakultur Institut e.V. wird die weitere Entwicklung beobachten und diskutieren.

Unsere Ansprüche als Gestalter*innen zukunftsfähiger Lebensweisen sollten eine Vision vorgeben, nach der wir streben. Gemäß dem Permakultur-Gestaltungsprinzip der kleinen und langsamen Lösungen, können wir uns mit jedem Schritt der Weiterentwicklung dieser Vision nähern. Unsere Ziele müssen dabei hoch sein, doch wir dürfen nicht das Gefühl vermitteln, sie wären unerreichbar, weil eine Veränderung von heute auf morgen unmöglich ist.

Jede*n, die*der Permakultur für sich entdeckt, laden wir ein, sich mit dem Wesen der Permakultur zu beschäftigen, sich mit Menschen zu unterhalten, die mit Verstand, Herz und Hand Permakultur-Gestalter*innen sind, und sich ihre Orte der gelebten Utopie genau anzusehen. Denn dann kann Permakultur so wirken, wie es Utopien sollten, nämlich als Motivation mit der Gestaltung des Wandels zu beginnen.

Bei Rückmeldungen, Fragen und Anregungen zu dem Thema wenden Sie sich bitte an feedback@permakultur.de.

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