Inspiriert von den Ansätzen der Transition Town Bewegung und der Permakultur haben wir im Jahr 2009 in Kassel mit sechzehn Menschen den gemeinnützigen Verein Essbare Stadt e.V. gegründet. Seitdem arbeiten wir mit stetig wachsender Anzahl von Mitgliedern – heute sind es 140 – schwerpunktmäßig in drei Aktionsfeldern: Pflanzung von Fruchtgehölzen im öffentlichen Raum (bisher über 500), Gründung und Pflege von Gemeinschaftsgärten sowie Vernetzung zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen, verbunden mit dem Hineinwirken in Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft, um Mitgestaltungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu öffnen.
So kann sich die Vision einer Essbaren Stadt zu einem relativ komplexen Unterfangen entwickeln, mit einigen dezentralen Garten- und Pflanzorten und diversen Nachbarschaften sowie verschiedenen Arbeits- und Aktionsgruppen, bei uns z. B. Küche-für-Alle, Jungpflanzen-Anzucht, Selbst-Ernte-Acker-Team, Obst AG, Öffentlichkeitsarbeit, Saatgut-Börse, Ernährungsrat, Soziokultur und Kunst.
Dies zeigt, dass es durchaus sehr viele Anknüpfungspunkte und Tätigkeitsfelder gibt, um sich in einer Stadt einzubringen und mitzuwirken an notwendigen urbanen Transformationsprozessen. Permakultur-Wissen ist hierfür ein großer Schatz, sei es für die Analyse von komplexen Systemen, wie beispielsweise der eigenen Stadt, den sozial-räumlichen Potentialen ihrer Landschaft als auch ihrer politischen Struktur, für die Schwerpunktbildung der eigenen Agenda, für die Planung, Koordination und Durchführung von Projekten und natürlich für gärtnerische Gestaltungen.
Wie gründe ich einen Gemeinschaftsgarten?
Ein Einstieg in urbane Permakultur kann das Mitmachen bzw. Gründen eines Gemeinschaftsgartens sein. Qualitäten und Relevanz von städtischen Gemeinschaftsgärten finde ich wunderbar auf den Punkt gebracht im Urban-Gardening-Manifest, einer Initiative der urbanen Gartenbewegung in der Bundesrepublik.
Was sind nun mögliche bzw. wichtige Schritte zur Gründung eines Gemeinschaftsgartens? Zunächst empfiehlt es sich, bestehende Projekte kennenzulernen und sich von konkreten Erfahrungen inspirieren zu lassen.
Grundlage ist dann das Finden einer geeigneten Fläche. Falls wir hier noch gar keinen Ort im Fokus haben, kann es durchaus fruchtbar sein, sich mit Suchanfragen an die Grünabteilung der Stadtverwaltung, an Wohnbaugesellschaften oder auch an Kirchengemeinden zu wenden.
Entsprechend dem Permakultur-Prinzip observe and interact haben wir in Kassel geeignete Flächen meist durch Beobachtung und Kommunikation gefunden. Das heißt, es macht Sinn, viel in der Stadt zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs zu sein. Damit bist Du flexibel genug auch mal anzuhalten und Menschen anzusprechen oder hinter einen Bauzaun zu schauen und deiner Beobachtungsgabe und Imaginationsfähigkeit Raum und Zeit zu geben.
Kriterien Fläche Gemeinschaftsgarten
Vorstellbare Standorte für einen Gemeinschaftsgarten sollten auf einige Kriterien abgeklopft werden: wie ist die Nachbarschaft, das soziale Umfeld, wie sind die Licht- und Bodenverhältnisse, wie kann der Zugang zu Wasser organisiert sein, wie ist der Zugang zur Fläche, welche räumlichen Begrenzungen gibt es oder sollte es sinnvollerweise geben? Dann nicht zuletzt natürlich rechtliche Fragen: Eigentumsverhältnisse, Varianten von Nutzungsvereinbarungen und Haftung.
Grundlegend für eine erfolgreiche Gründung und Entwicklung ist dann, dass es Einzelne oder bestenfalls eine Gruppe gibt, die ein echtes Commitment hat, sich über einen längeren Zeitraum dem Projekt zu widmen. Ein Gemeinschaftsgarten ist ein wunderbares Erfahrungsfeld für Selbstorganisation und kooperatives Miteinander, die wichtigste Ressource hier sind die Menschen und deren Beziehungen untereinander.
Wie wollen wir unseren Gemeinschaftsgarten gestalten?
Gemeinsam in der Gruppe kann Klarheit geschaffen werden über Zielsetzungen und grundlegende Fragen: Läuft alles ehrenamtlich oder brauchen wir einen Trägerverein mit bezahlten Stellen? Werden Beete gemeinsam oder individuell bewirtschaftet? Ist der Grad der Selbstorganisation hoch oder geben wir Strukturen vor?
Wie verbinden wir uns – auch um weitere wichtige Ressourcen zu generieren – mit dem lokalen Kontext, also mit der Nachbarschaft, gegebenenfalls mit dem Quartiersmanagement, mit Kitas, Schulen, Kirchen, Stadtverwaltung, Stiftungen? Welche Regeln, Kommunikationsformen und -kanäle brauchen wir? Wie können wir Entscheidungen treffen, so dass möglichst Viele beteiligt werden und wir gleichzeitig handlungsfähig bleiben?
Im Werkzeugkoffer der (sozialen) Permakultur finden sich viele Methoden für eine erfolgreiche Gruppenarbeit und Prozessentwicklung, und für die praktische Umsetzung von nachhaltigen Gärten sind die Planungsprinzipien und Designverfahren der Permakultur außerordentlich wertvoll.