Neue Welten erschliessen

Kann Permakultur Golfplätze verändern?


von Christian Desgranges

Grüne Wüste, exzessiver Energieverbrauch, dekadenter Luxusspielplatz für einige Wenige – so ist die häufige Vorstellung von einem Golfplatz. In den wenigsten Fällen wird er als ökologisch und sozial wertvoller Lebensraum gesehen. Doch genau das kann er sein.

Seit gut 15 Jahren gibt es im Golfsport das weltweit erste Nachhaltigkeitszertifikat im Sportbereich. Das Ökolabel wurde von der Golf Environmental Organisation (GEO) lanciert und wird heute von internationalen Verbänden und Golfanlagen getragen. Das Label zeichnet Golfanlagen aus, welche sich in den Bereichen Natur, Ressourcen und Soziales nachhaltig entwickeln. Im Jahr 2020 hat sich der Schweizer Golfverband Swiss Golf zum Ziel gesetzt, bis 2030 alle Schweizer Golfplätze GEO-Zertifizieren zu lassen. Hierfür wird, neben finanziellen Anreizen, Informationsveranstaltungen und Beratungen, eine für die Anwärter umfassende Plattform zur Eigenanalyse und Selbstbewertung angeboten. Diese ermöglicht erstmals, die Umweltbemühungen verschiedener Golfanlagen miteinander zu vergleichen.

Bestandsaufnahme Golfplatz

Die 98 Golfplätze in der Schweiz entstanden in den meisten Fällen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und gehören zu den grössten Sportanlagen. Ein 18-Loch-Platz nimmt durchschnittlich 65 bis 80 Hektar Land in Anspruch. Dadurch ergibt sich für die Betreiber eine grosse Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Naturraum.

Als wirtschaftlich orientiertes Unternehmen liegt der Hauptfokus allerdings auf der aufwendigen Pflege der verschiedenen Spielbereiche. Dies bringt hohe Mähintervalle, eine komplexe Bewässerung, Belüftung des Bodens, Einsatz von Dünger und Pestiziden sowie Nachsaat auf Kahlstellen mit sich. Die hohen Kosten werden aus dem Ertrag aus Mitgliederbeiträgen, Spielgebühren, Turnieren und Sponsoren gedeckt.

Ein 18-Loch-Golfplatz hat durchschnittlich 100.000 Besuchende pro Jahr. Das bedeutet, dass bei Hochbetrieb alle zehn Minuten vier Menschen über eine Spielbahn laufen. Dieses hohe Nutzungsintervall auf kleiner Fläche würde Bill Mollisons Zone 1 entsprechen.

Die Schweizer Gesetzgebung gibt einen klaren Rahmen zu Gestaltung und Betrieb eines Golfplatzes vor. Sie fordert unter anderem die Einhaltung einer Flächenaufteilung von 33 % für golftechnische und bauliche Infrastruktur, 33 % für extensive Flächen, beispielsweise mit extensiver Landwirtschaft, und 33 % für regiotypische natürliche Lebensräume, welche nur regulierend gepflegt werden sollen (Zone 5 gemäss Zonenplanung). Dadurch sind in ehemals ausgeräumten land(wirt)schaftlich genutzten Orten diverse Lebensräume entstanden. Diese werden von vielen Besuchenden als kleine Naturschutzgebiete wahrgenommen. Schon heute haben sich einige Betreiber durch die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit einen Namen gemacht und vermögen ihr Publikum damit zu begeistern. Ein sehr einfaches und bereits vielfach ausgeführtes Bespiel ist die Integration von Direktvermarktungsständen der umliegenden Bio-Landwirtschaftsbetriebe auf der Golfanlage.

Image als Ertrag

Viele Anlagen schaffen es bereits heute, ökologischer zu werden, ohne dafür staatliche Subventionen zu erhalten oder einen direkten ökonomischen Anreiz zu haben. Erklärt werden kann ihre Motivation mit einem positiven Imagewandel in Richtung nachhaltige Wirtschaft. Golfanlagen zählen zu wichtigen regionalen Arbeitgebern und Abnehmern verschiedener Produkte und Dienstleistungen, was die Stärkung kurzer Wertschöpfungsketten ermöglicht. Nicht realistisch ist momentan ein produktiver Ertrag zum Beispiel aus Wildobsthecken oder extensiven Gemüsekulturen. Hierfür fehlen die zeitlichen Ressourcen sowie die ökonomischen Anreize.

Je mehr Golfende über den Platz gehen, desto mehr Ertrag erzielt der Golfplatz. Um dieses Intervall möglichst hoch zu halten, werden die Spielbahnen tendenziell breiter gemäht, damit Bälle leichter wiederzufinden sind. Werden die Bahnen auf die spielerisch kleinste Breite gemäht, erhöht sich der Anspruch an das Können der Golfenden, steigert jedoch auch das Frustrationspotenzial. An diesem Punkt findet sich ein interessanter Ansatz zur Optimierung des Unterhaltsaufwandes und der Förderung von Randzonen. Die optimierte Pflege beschäftigt Golfplatzarchitekten und Betreiber von jeher. Eine Lösung, welche über die Sensibilisierung und Schulung von Spielenden und Greenkeepern geht, scheint hier aus Sicht der Permakultur (integrieren statt abgrenzen) sinnvoll zu sein. Ganz klare Potenziale liegen in der regenerativen Golfplatzarchitektur. Im Gegensatz zum klassischen Golfplatzdesign werden hier dem Betreiber der Wert und die Eigenheiten der jeweiligen Landschaft aufgezeigt und dadurch langfristig in der Gestaltung geschützt und weiter etabliert.

Das ist für viele Platzbetreiber eine neue Herangehensweise. Denn die Wechselwirkungen zwischen den ökologischen Bereichen in den Spielelementen sind heute meist noch unbekannt. Auch die Wertschätzung der ökologischen Ausgleichsflächen zur Stabilisierung des Mikroklimas ist bei den Betreibern oft noch nicht vorhanden. Zwar werden Weiher und Seen als Speicher für Beregnungswasser verwendet, als ökologische Lebensräume sind sie aber noch wenig geschätzt und gefördert. Ähnlich ergeht es extensiven oder ruderalen Standorten und Hecken. Sie haben neben einem gestalterischen Mehrwert unter anderem eine positive Wirkung auf Luftqualität, Klimaregulierung, Erosions- und Windschutz. Vielen sind im Umgang mit diesen Landschaftselementen die pflegerische Handhabe und der Mehrwert der genannten Ökosystemdienstleistungen nicht bekannt.

Angelehnt an die Permakultur legt die regenerative Golfplatzarchitektur den Grundstein für eine gesunde Diversität in und über dem Boden und lässt die intensiv gepflegten Bereiche mit der Landschaft verschmelzen.

Nutze kleine und langsame Veränderungen

Die fortlaufende gesetzliche Regulierung zwingt die Golfplatzbetreiber zu einer kontinuierlichen Veränderung der Art der Pflege. Ein Beispiel ist das Verbot des Fungizids Chlorothalonil Anfang 2020, welches durch seine Abbauprodukte als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Um Golfende trotz Einschränkungen weiter glücklich zu machen, geht die Forschung in verschiedene Richtungen. Neben Universitäten in Skandinavien und England beschäftigen sich verschiedene Start-ups mit alternativen Lösungsstrategien zur biologischen und energiearmen Bewirtschaftung von Sportrasen. Dies hat mittlerweile zum Einsatz von bodenpflegerischen Massnahmen wie dem Einsatz von effektiven Mikroorganismen (EM) oder Komposttee geführt.

Auch die Fernerkundung und Messung der Pflanzenvitalität mittels Drohnen stösst bei den Anlagenbetreibern auf reges Interesse. Die Fernerkundung ist eine recht neue Technik. Sie nutzt spezielle Luftbilder zur Visualisierung der Pflanzenvitalität sowie der Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen durch Berechnung verschiedener Algorithmen. So kann in kurzer Zeit eine grosse Fläche analysiert werden, um beispielsweise die Bewässerung und das Düngeregime zu optimieren. Diese Technologie ermöglicht des Weiteren eine Analyse von Pflanzenstress, welche bis zu zwei Wochen vor Eintreten einer Krankheit einsetzt und so präventiv und vitalisierend angegangen werden kann.

Der grosse Vorteil der Permakultur als Planungmethode liegt in der langfristig orientierten Formulierung der Ziele und der Anpassungsfähigkeit an verschiedene Situationen. So konnte im Sommer 2020 während einer Baubegleitung mit dem Greenkeeping des Golfparks Holzhäusern (CH) ein neuer Bachlauf geschaffen werden, welcher aus dem lokalen Meliorationsnetz gespeist wird. Durch eine enge Zusammenarbeit und offene Kommunikation konnten pflegerelevante Faktoren sowie die Zielvegetation an die Ansprüche aller Beteiligten angepasst werden, ohne den Wert für Insekten und andere Tierarten zu mindern. Da Golfanlagen eine sehr hohe Frequenz in ihrem Betrieb und dessen Unterhalt aufweisen, ist es wenig hilfreich, zu Beginn mit einem zu hohen Anspruch oder einem zu umfangreichen Massnahmenkatalog auf die Anlagen zuzugehen. Mit dem Ansatz „Strebe kleine und langsame Veränderungen an“, wie er von David Holmgren beschrieben wurde, wird allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, die Veränderungen zu beobachten und selbst kreativ zu werden. Um die Motivation und Bereitschaft der Beteiligten weiter zu fördern, kann das reale Aufzeigen und die Vergleiche verschiedener Strategien und Massnahmen eine grosse Wirkung erzielen. So wurde zum Beispiel im Herbst 2020 eine Umwelt-Kommunikationskampagne vom Verband der Schweizer Greenkeeper (Swiss Greenkeepers Association) gestartet, um Golfende, Passanten und Management auf die verschiedensten Umwelt- und Pflegebereiche hinzuweisen und diese nachvollziehbar zu machen.

Wir vom Planungsbüro erarbeiten gemeinsam mit den Beteiligten der jeweiligen Golfanlagen Informationstafeln, Medieninhalte sowie verschiedene Veranstaltungen. Daraus sollen langfristige und stabile Partnerschaften mit NGOs, regionalen Landwirten und der Gesellschaft resultieren. Mit der Initiative Golfcourse 2030, welche wir in Zusammenarbeit mit Swiss Golf lanciert haben, haben sich Entscheidungsträger der Branche ein gemeinsames Ziel gesetzt: Verschiedene Strategien sollen zur verantwortungsvollen Gestaltung und Bewirtschaftung von Golfanlagen führen. Im Strategiepapier wurde Permakultur als Konzept aufgenommen, welches den Betreibern als Hilfestellung zur weiteren Entwicklung dienen kann.

Die ersten Schritte sind getan. Mit dieser Ausgangslage wird sich in den kommenden Jahren die Anwendbarkeit von Permakulturmethoden auf Golfanlagen zeigen.

 


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2021 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten.

Christian Desgranges ist Gärtner verschiedener Fachrichtungen und Diplom Permakultur Designer und engagiert sich in der ökologischen Planung und Weiterentwicklung von Golfanlagen. Für Fragen rund um Golf und Permakultur könnt Ihr ihn unter christian.desgranges@steinerpartner.com erreichen.

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