Mikroorganismen: Ihr Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit

Eine Hymne auf unterschätzte Organismen in der Erde.


Neulich hat mich eine Präsentation von Ines Fritz im Rahmen des Webinars aufbauende Landwirtschaft zum Thema "Der Beitrag von Mikroorganismen zur Bodenfruchtbarkeit" sehr inspiriert. Vor allem da mir ein Marktgärtner aus der Nähe von Darmstadt vor circa einem Jahr die Frage gestellt hat: "Was kann ich tun, um meine Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen – abseits von Mulchen und Kompostdüngung?". Für mich war die Frage gar nicht so leicht zu beantworten, da die Forschung über die mikrobiellen Lebewesen in unseren Böden nach meinem damaligen Wissensstand noch gar nicht so weit war. Glücklicherweise wurde ich durch diesen Vortrag eines Besseren belehrt und deshalb will ich meine Erkenntnisse mit euch teilen.

Noch ein Wort zum Webinar aufbauende Landwirtschaft und zur Referentin. Ines Fritz ist Assistenzprofessorin am Institut für Umweltbiotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien, also eine ausgewiesene Expertin in Sachen Boden und Mikroorganismen. Das Webinar aufbauende Landwirtschaft fand dieses Jahr zum zweiten Mal mit insgesamt 11 Referentinnen und Referenten über eine Webinar-Plattform statt. Die Themen und Referenten sind nicht direkt dem Permakultur-Netzwerk zuzuordnen, aber in den Randzonen für die Permakultur sehr lehrreich. Sie können uns viele blinde Flecken aufzeigen, die es in der Permakultur durchaus noch gibt und zeigt uns, wie Praktiker konkret aufbauende Landwirtschaft betreiben. Mein Fazit ist jetzt schon, dass die Reihe sehr sehenswert ist und ich habe mich deshalb auch entschieden alle Erkenntnisse aus den Webinaren mit euch zu teilen und in den Kontext der Permakultur einzuordnen.

Am Anfang war das Mineral

Wenn wir heute rausgehen, vielleicht sogar barfuß, um die Erde direkt zu spüren, ist die Anwesenheit von Erde für uns eine Selbstverständlichkeit. Sie ist sogar so selbstverständlich für uns geworden, dass wir vielleicht gar nicht mehr daran denken, dass Erde ein lebendiges Ganzes ist. Vor einigen Milliarden Jahren, als die Erde noch kein Leben besaß, waren es die allerersten Mikroorganismen, die laut Frau Fritz vermutlich dafür sorgten, dass die Erde eine Atmosphäre bekam. Cyanobakterien begannen die erste Stufe des Terraforming, also der Veränderung der Erdumgebung und damit auch ihres Lebensraums mit der Bildung von Sauerstoff. Durch das daraus entstehende Ozon sorgten sie für eine stabile Atmosphäre, die das UV-Licht der Sonne filterte und anderen Mikroorganismen ermöglichte auch außerhalb des Wassers zu überleben.

Die Forscher des Instituts für Umweltbiotechnologie können nicht genau sagen, wie dann die erste richtige Erde entstanden ist. Aus Beobachtungen nach Vulkanausbrüchen, bei denen oft nur Gestein im Umfeld des Ausbruchs übrigbleibt, schließen sie aber, dass die Entstehung von Erde einem Kaskadeneffekt, also einer sich verstärkenden Spirale geschuldet ist:

  • Angepasste Mikroorganismen besiedeln Gestein
  • Sterbende Mikroorganismen bieten organische Masse als Nahrung für komplexere Mikroorganismen
  • Es bildet sich eine erste sehr karge Erde, durch die Verklebung von mineralischen Bestandteilen und organischer Masse (Biopolymere)
  • Erste einfache Pflanzen, wie zum Beispiel Moose können sich ansiedeln
  • Pflanzen sterben ab und bieten Biomasse für Mikroorganismen
  • Die Bodenentwicklung schreitet durch das Sterben und Gedeihen von Mikroorganismen und Pflanzen voran, immer mehr Boden entsteht
  • Komplexere Pflanzen bis zu Bäumen können auf dem Boden gedeihen

Was ich hier grob in ein paar Stichpunkten beschrieben habe ist ein Prozess, der ständig abläuft, also auch heute noch so passiert. Lässt man den Dingen seinen natürlichen Lauf wird also ständig weiter Boden aufgebaut. Allerdings schreitet dieser Prozess nur sehr langsam voran – es dauert 100 bis 150 Jahre von der Besiedelung eines Minerals durch Mikroorganismen bis zum ersten bisschen nutzbaren Bodens.

Lebensbedingungen der Mikroorganismen

Als Lebensgrundlage dient für die Mikroorganismen dabei eine Energiequelle in Form von Licht oder organischer Masse, eine Kohlenstoffquelle in Form von CO2 aus der Atmosphäre oder ebenfalls organischer Masse. Zusätzlich werden noch Wasser, die An- oder Abwesenheit von Sauerstoff (je nach Mikroorganismus aerob oder anaerob), sowie die passende Temperatur, verfügbare Mineralstoffe und Spurenelemente.

Warum diese Aufzählung? Wer versteht, wie Mikroorganismen funktionieren, versteht wie Bodenaufbau und damit regeneratives Gärtnern und Landwirtschaften funktioniert. Frau Fritz betont, dass es für jede Umwelt angepasste Mikroorganismen gibt, die, wie sie es sagt, "aktiv ihren Lebensraum gestalten". Dadurch verschieben sie den Lebensraum noch mehr ins ökologische Optimum, um noch besser daran angepasst zu sein. Wer seinen Boden aufbauen will, kann also auf Effektive Mikroorganismen verzichten (wobei sie nicht schaden) und die schon vorhandenen Mikroorganismen mit organischer Masse, in Form von Kompost und Mulch, versorgen. Die restliche Arbeit macht die Natur.

“Obwohl die Probleme der Welt immer komplexer werden, bleiben die Lösungen beschämend einfach.”

― Bill Mollison

Um die Frage des Marktgärtners aus Darmstadt zu beantworten: Es muss nichts Spezielles getan werden, um deine Erde und deinen Boden zu unterstützen. Du brauchst keine besonderen Mikroorganismen aus anderen Teilen der Welt zu spritzen oder besonderen Dünger in den Boden einzuarbeiten. Das Beste ist, den Mikroorganismen Nahrung zu geben und sie ihre Arbeit machen zu lassen – sie wissen am allerbesten was ihr Milieu braucht und gestalten es entsprechend, sodass der Boden mit der Zeit immer fruchtbarer wird.

Die Vielfalt schafft den Boden

Die oben beschriebene Spirale der Bodenentstehung kommt aber nur zustande, weil eine große Vielfalt an verschiedenen Mikroorganismen an dem Prozess beteiligt ist. Jeder Mikroorganismus erfüllt eine andere biologische Funktion in dem Ablauf. Erst auf diese Weise kann der Prozess der Umwandlung von Mineralien in Boden überhaupt zustande kommen. Zusätzlich zu den Primären, sich selbst ernährenden (also durch Sonnenlicht, CO2 und Mineralien) Organismen gesellt sich später die komplexere Sekundärflora. Dazu gehören Algen, Pilze und heterotrophe, also sich aus externen Quellen ernährende, Bakterien.

All diese Organismen von höherer und niedriger Komplexität leben gemeinsam in einer großen Lebensgemeinschaft und teilen sich die Arbeit, zum Beispiel durch Symbiose. Erst solche Lebensgemeinschaften sind in der Lage, die mineralischen Bestandteile mit den organischen Bestandteilen der nun entstehenden Erde zu verkleben. Von daher ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Erde, auf der wir täglich unsere Füße setzen, voller Leben steckt.

Humus und die mikrobielle Ökologie des Bodens

An dieser Stelle stellt sich nur noch die Frage, nach der Rolle des Humus in dem ganzen Prozess der Bodenentstehung. Vor dem Hintergrund der Entstehung des Bodens durch die Zusammenarbeit der vielen Mikroorganismen, kann Humus als das Ergebnis dieses Prozesses beschrieben werden. Humus ist also nichts weiter als eine hoch aktive Schicht des Bodens, in dem sehr viel mehr Mikroorganismen leben, als in den restlichen Teilen des Bodens. Dort ist viel Nahrung vorhanden und deshalb findet dort viel Zusammenarbeit unter den Mikroorganismen statt. Sie nutzen die organische Masse und die Mineralstoffe sowie Spurenelemente des Bodens und bauen diese in die hochaktive Schicht mit ein.

Das Ergebnis: Ein sehr fruchtbares Bodensubstrat, voller mikrobieller Aktivität und tollen Eigenschaften. Humus verbessert alle Bedingungen des Unterbodens, egal ob sandig oder lehmig. Humus ist in der Lage, große Mengen Wasser und Kohlenstoffdioxid zu binden, aufzunehmen und langsam an die unteren Bodenschichten abzugeben. Außerdem können die Pflanzen die Mineralstoffe und Spurenelemente des Bodens besser aufnehmen, da diese erst durch die Aktivität der Mikroorganismen für die Pflanzen verfügbar werden. All das ist das Ergebnis eines Prozesses, bei dem sich Mikroorganismen und Pflanzen gemeinsam daran gemacht haben ihren Lebensraum zu verbessern. Dies geschah, indem sie die Bedingungen durch ihren Stoffwechsel und ihre Fortpflanzung Schritt für Schritt verbessert haben.

Das Fazit: Wer permakulturell Gärtnern möchte, muss seinen Boden als größtes ökologisches Reservoir im Garten betrachten. Denn in der eigenen Erde ist die Biodiversität am größten. Dadurch wird der eigene Boden schon fast zu einer Art Heiligtum, das gepflegt und nicht gepflügt werden sollte. Die Pflege ist aber denkbar einfach: Gib deinem Boden regelmäßig zu essen und störe nicht den natürlich ablaufenden Prozess. Entwickle kreative Ideen, um deinen Boden so wenig wie möglich bei der Arbeit zu stören und trotzdem dein Gemüse anzubauen. Das tolle dabei ist, durch diese Pflege gedeiht die Biodiversität im ganzen Garten. Vögel und andere Insektenvertilger finden ein großartiges Nahrungsangebot und können andere Schädlinge besser kontrollieren. Aus dieser Perspektive ist der Boden also auch die Grundlage für eine effektive und ökologische Schädlingsbekämpfung.

 


Bereits erschienen auf permakulturblog.de. 

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