Kann Permakultur eine Lösung für die Zukunft sein und Krisen abmildern?

Wir haben Menschen in unserem Netzwerk gefragt: Helfen euch eure Permakulturgestaltungen in unsicheren Zeiten?


Arbeiten im Homeoffice

Arbeiten im Homeoffice, Foto: Sarah Darwish

Gemüse aus dem eigenen Garten

Gemüse aus dem eigenen Garten, Foto: Sarah Darwish

Zwiebelernte im eigenen Garten

Zwiebelernte im eigenen Garten, Foto: Monika Frank

Vorräte für den Winter

Vorräte für den Winter, Foto: Monika Frank

Pinkeln auf den Kompost

Pinkeln auf den Kompost, Foto: Géraldine Sommer

Frauen Urinal mit Sichtschutz

Frauen Urinal mit Sichtschutz, Foto: Géraldine Sommer

Einige Menschen aus dem Netzwerk des Permakultur Instituts wünschten sich gleich zu Beginn der Coronakrise von uns als Verein und konkret von mir aus der Redaktion, dass wir jetzt aktiv werden:

„Permakultur ist doch ein super Ansatz, um positive Beispiele für den Umgang mit Krisen aufzuzeigen. Wir müssen jetzt schnell handeln und die Lösungen für eine andere Welt aufzeigen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche haben wir doch schon lange erwartet!“

Natürlich hat der Verein nicht auf diese Krise gewartet und sie schon gar nicht erhofft. Ich selbst gehöre zu den Privilegierten, für die sich durch die Coronakrise nicht viel geändert hat und ich war – so seltsam es klingt – innerlich vorbereitet. Nicht unbedingt auf Corona, nicht dass es 2020 passiert, aber die Klimakrise hat mich sehr beschäftigt. So vieles wird sich mit ihren immer stärker werdenden Auswirkungen ändern, gesellschaftlich, in den politischen Systemen, in den Arbeitsverhältnisse und auch in unserem Lebensraum, der sehr viel heißer und unberechenbarer wird.

Für mich war es sehr schwierig, in den ersten zwei Wochen der Kontaktsperre nicht in irgendeine Form von Hektik zu verfallen. Ich hatte den Drang, sofort viele Artikel zu schreiben. Oder Videos aufzunehmen. Hauptsache irgendeine Veränderung. Es hat mich viel innere Kraft und ein paar Gespräche mit einer Kollegin aus der Redaktion gekostet, um folgendes festzustellen:

Eine der größten Stärken von Permakultur ist die Beobachtungsphase. Hierfür sollte sich viel Zeit genommen werden und erst anschließend gezielt an langsamen, sowie kleinen Lösungen gearbeitet werden.1

Trotzdem ist das Thema Krise (Corona- und Klima-) für den Verein und die Redaktion natürlich sehr relevant. Aus diesem Grund möchten wir Kursleitende und Teilnehmende der Weiterbildung Permakultur Design zu Wort kommen lassen: Hilft Permakultur überhaupt in Zeiten der Krise? Wir haben einmal nachgefragt.

Von welchen Permakulturgestaltungen der letzten Jahre profitierst du jetzt?

Einen spannenden Erfahrungsbericht von Judit Bartel „Was mich Permakultur lehrt – nicht nur in Krisen“ findest du auf unserer Webseite. Ihre Erfahrungen und auch die verschiedenen Rückmeldungen einiger Permakulturgestaltender aus unserem Netzwerk lassen sich in folgende drei Lebensbereiche unterteilen.

 

(1) Gärtnern, Selbstversorgung und Konsumverhalten

Sarah Darwish:
„Die kleine Foodcoop (eine Lebensmittelkooperative) hilft mir gerade sehr weiter. Dadurch kann ich mit anderen Menschen aus meiner Region hochwertige Lebensmittel direkt vom Großhändler einkaufen. Dies fördert unsere Vorratshaltung, gerade in dieser Krisenzeit, wo wir so gut es geht aufs Einkaufen verzichten. Zusätzlich kann ich mich zum Teil aus meinem Garten selbst versorgen. Neben Obst und Gemüse habe ich so auch Zugang zu Heilpflanzen, Saatgut und Brennholz.“

Andreas Telkemeier:
„Es es nicht gerade eine bewusste Gestaltung, aber meine Familie und ich haben unsere solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) erneut schätzen gelernt. Hier gab es keine Hamsterkäufe oder leeren Regale. Vielmehr ist der achtsame Umgang miteinander auch in der Coronazeit geblieben. Diese Form der Landwirtschaft ist auch in Krisen sehr stabil, da der Bauer nicht von Erntehilfe aus dem Ausland abhängig ist und wir ihn gemeinsam unterstützen. Ebenso profitieren wir von unserem Stadtbalkon, bei dem wir ständig frisches Grün ernten und dadurch die Kraft des Frühlings wahrnehmen.“

Gregor Scholtyssek:
„Wir brauchen uns nicht an Hamsterkäufen beteiligen, weil wir über Jahre hinweg kontinuierlich Vorräte aufgebaut haben. In unseren Regalen finden wir Eingekochtes, Getrocknetes, in Essig oder Salz eingelegtes, Fermente und containerte haltbare Sachen in Tüten, Dosen und Gläsern. Das ist sehr entspannend für alle Mitbewohnenden!“
(Wie so ein Alltag aussehen kann, inklusive der Herstellung von Sauerkraut und Fermenten, hat Gregor schon einmal indiesem Erfahrungsbericht aus seiner ehemaligen WG beschrieben.)

Monika Frank:
„In meinem Garten lasse ich so viel wie möglich spontane Vegetation zu – solange sie essbar ist! Dadurch habe ich jetzt im Frühling jede Menge Wildkräuter, die eifrig verwertet werden. Aktuell sind dies Beinwell, Wegerich, Brennnessel, Dauerkohl und Melisse. Auch das gut gefüllte Regal mit eingemachten Obst- und Teevorräten bewährt sich jetzt. Vorratswirtschaft klingt nach Oma und langweilig, wenn der Supermarkt jedoch weit weg ist, ist es doch nicht mehr so oldschool. Ganz im Gegenteil – alles Essbare zu sammeln, zu verarbeiten und zum späteren Verzehr aufzuheben, erscheint derzeit sehr nützlich. Dadurch kann ich jetzt jeden Tag für lau Walnüsse essen und genieße diesen Luxus. Mich selbst in diesen Bereichen fortzubilden und dieses Wissen umzusetzen, verleiht mir ein Gefühl der Sicherheit, gerade in dieser Krisenzeit.“

 

(2) Arbeitssituation

Sarah Darwish:
„In den letzten Monaten habe ich ein Livelihood Design für meinen Lebensunterhalt gestaltet. Seitdem habe ich begonnen, mir mehrere Standbeine aufzubauen, mit viel räumlicher sowie zeitlicher Flexibilität. Dadurch möchte ich mir in der nächsten Zeit langsam eine stabile Arbeitssituation schaffen. Wenn eines dieser Standbeine ausfällt, ist nicht sofort mein komplettes Einkommen weg.“

Gregor Scholtyssek:
„Ich profitiere gerade davon, dass ich meine digitalen Arbeitsstrukturen in den letzten Jahren resilient (krisenstabil) aufgebaut habe. Alle wichtigen Daten haben mindestens ein Backup, meistens auch mehr. Ich kann vom Computer im UFER-Verein sowie von meinem privaten Laptop auf diese Daten und spezielle Programme zugreifen. Selbst meine notwendigen Zugangsdaten sind in verschiedenen Formaten, an verschiedenen Orten gespeichert oder aufgeschrieben. Dadurch kann ich Ausfälle leicht auffangen und musste trotz Kontaktsperre so gut wie nichts für meine computerbasierten Arbeiten verändern.“

 

(3) Wohngemeinschaft und soziales Umfeld

Andreas Telkemeier:
„Zur Erholung geht meine Familie in unseren Garten außerhalb der Stadt. Gerade jetzt, mit der Kontaktsperre und der vielen Zeit in unserer Wohnung, tut uns diese Zeit draußen sehr gut.“

Géraldine Sommer:
„Die aktuelle Situation hat uns dazu veranlasst, ein Outdoor-Kompost-Urinal für Frauen zu bauen. Wir möchten auch in der jetzigen Situation Besuch bekommen und diesen im Garten willkommen heißen. Dafür war es uns wichtig, eine blickgeschützte Möglichkeit zum Pinkeln zu schaffen, die uns auch nach Corona nützt. Der Urin wird direkt in unseren Kompost geleitet und bringt so wertvolle Nährstoffe in den Boden. Anschließend gründliches Händewaschen nicht vergessen!“

Monika Frank:
„Die folgende Erfahrung ist zwar keine direkte Permakulturgestaltung der letzten Jahre, aber dennoch sehr hilfreich. Spontan organisierte eine Nachbarin eine Bestellung und Abholung von Backwaren direkt von der Backstube aus dem Nachbarort. Zusätzlich gibt es jetzt untereinander koordinierte Einkaufsfahrten und einen „Drive", bei dem einmal wöchentlich lokale Lebensmittel zentral bestellt und geliefert werden. Mein Fazit: Auf die Nachbarn, die ich vorher schon nett fand, ist Verlass. Diese unterstützen mich jetzt beim Einkaufen und wir haben ein hilfreiches Netzwerk in der Nachbarschaft geschaffen.“

Sarah Darwish:
„Durch meine Wohngemeinschaft kann ich reale soziale Beziehungen pflegen trotz der eingeschränkten Kontakte!“

Gregor Scholtyssek:
„Ich bin gerade noch froher als sonst, in einer Wohngemeinschaft zu wohnen, weil wir hier vielfältige soziale Kontakte haben. Deshalb wird uns auch im Kontaktverbot nicht langweilig. Die Vorstellung, sich in Krisenzeiten in der Wohnung gegenseitig helfen zu können und nicht alleine zu sein, ist auch ein Grund, der mich immer davon überzeugt, dass sich diese Art vom Zusammenleben lohnt. Es gibt auch Zeiten, in denen die Wohngemeinschaft anstrengend ist und ich Zweifel habe. Aber die Coronakrise bestärkt mich auf jeden Fall in meinem Entschluss, in einer Wohngemeinschaft zu leben.“

Kann Permakultur Krisen abmildern und dein Leben stabiler machen?

Es sind vor allem auf den ersten Blick eher unspektakuläre Veränderungen, die diesen Permakulturgestaltenden in der Krisenzeit weiterhelfen. Gemüse selbst anbauen, und eine regionale solidarische Landwirtschaft unterstützen. Langfristig weniger Arbeit im Bürojob, und dafür mehr flexible Berufe, die zum großen Teil sowieso von zu Hause aus möglich sind. Anschließend heben unsere Permakulturgestaltenden die Vorteile hervor, in Wohngemeinschaften zu leben, oder einfach gute Beziehungen zu den Nachbarn aufzubauen. Keiner dieser Vorschläge hat mich jetzt überrascht.

Was deutlich geworden ist: Alle nannten mindestens zwei von den drei oben aufgeführten Lebensbereichen. Lebensmittelversorgung, Arbeit und Wohnsituation scheinen drei Säulen für einen Lebensstil zu sein, der uns durch die Corona- und hoffentlich auch die Klimakrise hilft. Ich habe das Gefühl, je mehr wir diese drei Lebensbereiche bewusst gestalten, desto stabiler wird unser Lebensstil und umso milder „treffen“ uns Krisen.

Monika Frank ergänzt die drei Kategorien noch mit folgendem Tipp:

„Vielleicht hilft es dir, wenn du dir bewusst ab und zu eine Nachrichten- und Computersperre verordnest. Dadurch kommst du nicht in eine Phase von negativen Gedanken und Stimmungen, sondern bleibst stabil und kannst die aktuelle Lage besser relativieren. Dieses Runterschalten, meinen eigenen Rhythmus finden und die Dinge in meiner Geschwindigkeit tun, ist so ein Luxus in unserer hektischen Zeit, auf den ich auch „nachher“ nicht mehr verzichten möchte.“

Zusammengefasst können wir Permakultur als Gestaltungskonzept für das eigene Leben nutzen, um es flexibler und dadurch stabiler in Krisen zu gestalten. Dies bezieht sich nicht nur auf die aktuelle Coronakrise oder die kommenden Auswirkungen der Klimakrise. Wichtig ist, dass wir üben, um möglichst anpassungsfähig auf veränderte Lebensumstände reagieren zu können. Ein guter Anfang ist zum Beispiel, sich einer solidarischen Landwirtschaft anzuschließen, als Ergänzung zum Supermarkt um die Ecke. Das jedenfalls werde ich jetzt recherchieren. Womit fängst du an?

 


1 Diese Ansätze kommen aus den Permakultur Prinzipien von David Holmgren: Beobachte und Interagiere. Nutze kleine, langsame Lösungen.

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