Gesellschaft anders gestalten

Warum wir Permakultur und Commoning zusammendenken sollten


von Christian Schorsch

Was möchte Permakultur sein? Eine naturnahe und ökologische Anbauweise? Ein Gegenmodell zur Agrarindustrie? Oder noch viel mehr als das? Wie der Name bereits andeutet, eine ganz andere Kultur, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie permanent, also dauerhaft ist.

Es scheint gerade ein Weg in eine solche Kultur denk-, sicht- und beschreitbar zu werden, der auch grundlegende systemische Ursachen überwindet und sich nicht nur auf Symptombekämpfung beschränkt. Voraussetzung dafür und gleichzeitig Anliegen dieses Artikels ist, die bisher eher voneinander getrennten Macher um Permakultur mit den tiefgreifenden Ansätzen der Commoners bekannt zu machen.

Im Grunde handelt es sich bei Permakultur um ein Sammelsurium an Ideen und Praktiken, die eine Lebens- und Gestaltungspraxis umreißen, die lebensförderlich ist und sich hinsichtlich planetarer Grenzen auf die gesamte Welt verallgemeinern ließe. Dabei finden zu Recht nicht nur die ökologischen Aspekte Beachtung. Es sind zuletzt vor allem ökonomische und soziale Entwicklungen, die zu den anstehenden Verwerfungen und Krisen unserer Zeit führen und die Umweltprobleme nach sich ziehen. Deshalb reicht es nicht, das Land und den Boden auf andere, schonendere und vielfältigere Weise zu bestellen und damit den Folgen der industriellen Landwirtschaft etwas entgegen zu setzen. Fast wichtiger ist, das menschliche Zwischeneinander zu wandeln. Was passiert zum Beispiel mit den gesunden, ökologischen Erzeugnissen nach ihrer Ernte? Auf welche Weise werden diese gerecht verteilt? Oder noch einen Schritt weiter zurück: Wie kann die Arbeitsweise zur Herstellung und Verarbeitung der Erzeugnisse organisiert werden, um zukunftsfähiger zu sein? Wie organisiert sich eine nicht profitgetriebene und zum ewigen Wachstum verdammte Produktion?

Commoning kann grundlegende Antworten liefern

Es ist nicht ganz leicht, sich diese andere Handlungslogik vorzustellen und dann vor allem im großen Stil zu denken. An diesen Vorstellungen, die letztlich sogar in die Utopie einer freien Gesellschaft münden, arbeitet ein weltweites Netzwerk zu dem beispielsweise auch das Commons-Institut e. V. gehört. Commoning meint in aller Kürze die Abkehr von der Tauschlogik hin zum Beitragen und miteinander Teilen. Um jedoch das ganze Potenzial dessen zu begreifen, bedarf es viel Offenheit und Vorstellungskraft. Schließlich ist uns die Welt, die das Commoning eröffnen möchte, zunächst befremdlich und, falls überhaupt, nur aus dem privaten, familiären Umfeld bekannt. Commons-Theorie steht mit dem, was wir zu denken gewohnt sind, in ähnlichem Widerspruch wie Relativitätstheorie oder Quantenmechanik. Mit dem Unterschied, dass sich diese zu profitablen, technischen Produkten verwerten lassen und Commoning als soziale Praktik, eher gegenteilig, gängige Wertvorstellungen in Frage stellt sowie Herrschaftskritik übt. Deshalb wird es nicht leicht fallen, auf die Schnelle allgemeine Anerkennung und Akzeptanz zu finden.

Der Begriff Commons wird meist mit »Gemeingüter« übersetzt. Entscheidend dabei ist, dass hier die Frage des Eigentümers in den Hintergrund rückt und es viel mehr um den konkreten Besitz und die gemeinsame Nutzung geht. Als solcher Besitz benötigen Commons Pflege und vor allem Schutz, um nicht über- oder auch unternutzt zu werden, was letztlich allen Beteiligten Schaden verursachen würde. Nur die wirklich betroffenen Menschen vor Ort sind hier nach eigens gesetzten Regeln in der Pflicht, sich zu organisieren und zu kümmern.

Die Einschätzung, solch eine nicht hierarchische »Unordnung« könne doch nicht funktionieren, liegt durch unsere heutige gesellschaftliche Prägung nahe. Dennoch hat Elinor Ostrom 2009 gerade dafür den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten, dass sie genau dieses Funktionieren an unzähligen weltweiten Beispielen nachwies. Sie widerlegte damit die oft beschworene »Tragik der Allmende«, also die Behauptung, gemeinsam und gleichberechtigt genutzte Ressourcen würden zwangsläufig durch Ausbeutung und Übernutzung zerstört werden. Zudem konnte sie generelle, rahmende Regeln, die ein solches Miteinander ermöglichen, zusammentragen. Diese Art und Weise des kooperativen Wirtschaftens bezeichnet nun der Begriff Commoning oder auch der Versuch einer Eindeutschung: Gemeinschaffen.

Eine Verbindung zur Permakultur

Die Bewegung der Permakultur hat bis dato ein Problem: Wie eingangs beschrieben, möchte sie eine neue Kultur in die Welt bringen, die dauerhaft Bestand haben kann. Wichtige Eigenschaften einer solchen Kultur wären neben ökologischen Aspekten auch Friedfertigkeit, Genügsamkeit, Solidarität, Kooperation und Egalität. Dies widerspricht jedoch gängiger Praxis heutigen Wirtschaftens, das bereits im Kern auf Konkurrenz und Wettbewerb ausgelegt ist und stetes Wachstum sowie Profitabilität auf Kosten anderer verlangt. Wie gedenken die Permakulturisten dem zu begegnen beziehungsweise sich davon freizumachen? Denke man an das dritte ethische Prinzip der Permakultur:

„Begrenze Konsum und Wachstum und teile Überschüsse (gerecht).“

Wie vielen Aktiven ist eigentlich bewusst, dass sie genau genommen systematisch gegen dieses grundlegende Prinzip verstoßen, wenn sie ihre Erzeugnisse vermarkten? Zum einen kann man hier eigentlich nicht vom Teilen sprechen, denn an Märkten wird grundsätzlich miteinander zu Marktpreisen getauscht. Wie ungleich und ungerecht zudem die Verteilung mittels Märkten letztlich ist, kann zum anderen auch jeder selbst erkennen. Hochwertige, biologische und nachhaltige Produkte muss man sich auch leisten können. Nicht alle Marktteilnehmer erlangen gleichberechtigten Zugang dazu.

Commoning ist vergleichsweise radikal (lat.: radix ‚Wurzel‘), nicht etwa aufgrund einer aggressiven Umsetzung, sondern in seiner Idee und seinem Potenzial, die bestehenden Verhältnisse grundlegend zu wandeln. Dem herrschenden Wachstumsparadigma kann Commoning bereits Grundlegendes entgegensetzen. Dass man Ressourcen spart, wenn man Dinge miteinander teilt, liegt auf der Hand, zum Beispiel beim Auto oder Wohnraum. Hinzu kommt, dass die verschiedensten Wachstumstreiber unserer aktuellen profitorientierten Wirtschaftsweise entfallen können. Allen voran auch kulturelle, denn materiellem Status, wird in der Commonswelt im Allgemeinen wenig Achtung beigemessen. Hier zählt vielmehr die persönliche Reputation. Aber auch geplante Obsoleszenz oder das Zurückhalten von besseren Lösungen aus Gründen einer Marketingstrategie entfallen hier ersatzlos.

Man muss für diese andere soziale Praxis einen Perspektivwechsel vollziehen können, der wohl besonders schwerfällt und auch heftige Abwehrreaktionen hervorrufen kann: Das Ergebnis der erbrachten (Arbeits-)Leistung steht nicht etwa dem einzelnen zu, sondern ist für alle gleichermaßen da. Das Wesen des Commoning besteht also darin, dass nicht mehr die Mehrung des individuellen Eigennutzes, sondern des Gemeinwohles im Mittelpunkt des individuellen Tuns steht. Vorstellbar ist das im Ergebnis wie eine Gartenparty auf gemeinem Grund, zu der alle etwas beitragen, damit sie gelingen kann. Jeder bringt eine Kleinigkeit mit oder packt hier und da mit an, wie er gerade kann und dazu in der Lage ist, um sich das Gesamtergebnis letztlich miteinander zu teilen. An dieser Stelle schlägt häufig unser Sinn für Gerechtigkeit zu und wir denken an die vielen, die nur kommen, essen, keinen Finger krumm machen und schmarotzen.

In der Tat besteht hier ein Überzeugungsdilemma, auf das es stets in Diskussionen hinausläuft: Wie ist der Mensch? Die gängige Theorie: Von Natur aus faul, unmotiviert, egoistisch und gierig. Darauf ausgerichtet ist schließlich auch unser Wirtschaftssystem, das Menschen offenbar erfolgreich dazu bringen kann, in Höchstleistung zu produzieren. Allerdings zum Preis von Existenzängsten und Zwängen. Was passiert nun mit einem Menschen, der in solch einem Umfeld, in dem all das gegenwärtig ist und normal erscheint, aufwächst und geprägt wird? Er entwickelt vermutlich tiefe, zumeist unbewusste Sehnsüchte und Ziele, sich von diesen Ängsten und Zwängen zu befreien. Dies äußert sich darin, dass jene Möglichkeiten besonders attraktiv und erstrebenswert erscheinen, gerade nicht arbeiten zu müssen und faul sein zu dürfen, Urlaub zu machen oder endlich Rentner zu werden, um seine Zeit frei gestalten zu dürfen. Zum Beispiel auch vorzeitig, indem man ein leistungsloses Einkommen erzielt. Es erscheint paradox, aber ist in unserer Leistungsgesellschaft nicht eigentlich dies das heimliche Ziel?

Der Drang nach einem Gefühl von Sicherheit beziehungsweise Absicherung kann in unserer Gesellschaft vor allem mittels Eigentum gestillt werden.

Commoning geht hier einen anderen Weg und möchte andere Rahmenbedingungen schaffen, die am gegensätzlichen Ende dieser Skala ansetzen. In der Welt der Commons verschwinden Preise und Tauschwerte völlig, was dafür sorgt, dass hier wieder die Gebrauchswerte dominieren. Diese sind vergleichsweise unempfindlich gegenüber äußeren Makeln, solange die eigentlichen Funktionen erfüllt bleiben. Deshalb ist die Welt der Commons wohl auch eher etwas unperfekter, weniger rechtwinklig und gerade, vielleicht auch etwas schmutziger und vergleichsweise rau ‒ wie die Natur. Vorstellbar also in etwa so, wie auch die Orte, an denen Permakultur gelebt wird. Im Grunde fragt sich Commoning, wie eine gesellschaftliche Zusammenarbeit organisiert sein könnte, in der sich ein Gefühl von Sicherheit eher aus gelungenen, vertrauensvollen Beziehungen zu seinen Mitmenschen speist und sich keine Geldknappheit zwischen die Menschen drängt? So ist hier das Menschenbild auch ein anderes, es geht davon aus, dass der Mensch ein inneres Bedürfnis hat, wohlwollend, kreativ und produktiv tätig zu sein, sich auf individuelle Weise zu entfalten und zu äußern. Es nimmt dazu an, dass dreckige, lästige Arbeiten ebenfalls »freiwillig« ausgeführt werden, einfach weil es sinnvoll und notwendig ist, sie zu erledigen – jedoch nicht mehr automatisch nur von den Ärmsten. Dafür jedoch braucht es äußere und soziale Bedingungen, die wir in unseren Breiten immer seltener vorfinden und die auszusterben drohen: Gemeinschaft, die über das gelegentliche Beisammensein und miteinander Feiern hinausgeht und in der die Lebensvorsorge und -bedingungen auch bewusst gemeinsam gestaltet und solidarisch getragen werden.

Permis sind prädestiniert für Commoning-Prozesse

Freunde der Permakultur haben nicht nur bereits ein deutliches Gespür für diesen schwundhaften Trend, sondern besitzen vielleicht ebenfalls ein bewusstes Bedürfnis nach Gemeinschaft, was auch besonders zur Pflegnutzung von Commons erforderlich ist. Dazu kommt ihre Experimentierfreudigkeit, ihr Spaß am Beobachten und Herumprobieren sowie die Hartnäckigkeit, im Falle des Scheiterns nicht gleich alle Hoffnung zu verlieren. Es braucht zudem viel Vertrauen in andere Menschen sowie Engagement und erfordert ‒ zumindest heutzutage ‒ auch eine dafür notwendige Risikobereitschaft in Form von Vorschüssen.

Eine weitere Qualität der Permakulturszene wäre grundlegend wertvoll für das Zünden einer anderen Wirtschaftsweise: Ihre Produktion von Lebensgrundlagen. Solche Lebensgrundlagen sind nicht nur Lebensmittel in ihrer urtypischen Form als Obst, Gemüse, Pilze und Fleisch, sondern auch gesammelte Wasserreserven oder andere Formen von Energiesammlern und -speichern. Fast nebenbei produziert man zudem gesunde, nährstoffreiche Böden, saubere Luft und Lebensräume für eine biodiverse Flora und Fauna, also die denkbar klassischsten Commons überhaupt.

Wenn man diese Produktion von Grundlagen nun über den Tellerrand der Selbstversorgung hinaus denkt und sich vorstellt, dass man dabei auch in arbeitsteilige Prozesse mit den Menschen in der Umgebung kommt, indem man sich nicht nur die Ernte und weiterverarbeitete Erzeugnisse teilt, sondern ein jeder auch mit seinen eigenen Kompetenzen und Interessen zu den erforderlichen Aufgaben beiträgt, so gut er gerade kann und mag, dann sind damit vielleicht schon grundlegende Keime für ein anderes Wirtschaftsmodell angelegt. Wie resilient und krisenfest könnte ein kleines Dorf werden, wenn es sich zumindest diese Lebensgrundlagen in Gemeinschaft und Kooperation schafft und bewahrt?

Commoning im globalen Maßstab

Wie aber nun sollte die Herangehensweise des Commoning auf einen globalen Maßstab skaliert werden können? Eine mögliche Antwort darauf liefert die aus menschheitsgeschichtlicher Sicht recht neue Verfügbarkeit des Internets. Dieses von Grund auf neu und enkeltauglich gedacht sowie drastisch reduziert genutzt, könnte eine Einbettung in permakulturelle Zukunftsszenarien möglicherweise erlauben?!

Es fragt sich, ob in der Gesellschaft bereits jemand auf die Idee gekommen ist, den Versuch zu starten, auch Highend-Technik ganz neu und auf permakulturelle Art zu denken? Vielleicht sind ja auch hier andere, lokale Rohstoffe nutzbar? Vielleicht ist eine grundlegend veränderte, schonendere oder zweckdienlichere Konstruktion und Herstellungsweise möglich? Wäre es nicht beispielsweise spannend, die Idee zu verfolgen, ob sich nicht ein Großteil heutiger Technik auch so herstellen ließe, dass sie letztlich kompostierbar wäre? Im Falle des Computers wird das zumindest dann denkbar, wenn man sich vor Augen führt, dass so ein Gehirn am Ende doch auch nichts anderes ist, als ein kompakter Apparat, der mittels elektrischer Signale in der Lage ist, Informationen zu verarbeiten – dabei aber vollständig biologisch abbaubar.

Anliegen dieses Artikels soll abschließend sein, Commoning als wichtigen Bestandteil der Permakultur zu erkennen und sowohl dessen theoretische Denkansätze in den Ausbildungsplan der Akademie zu integrieren als auch die Bemühungen aller Aktiven zu fördern, diese neue soziale Praktik einzuüben, zu verbreiten und ihr Umfeld auf vorbildhafte Weise zum Mitmachen einzuladen. Die Permakultur als wichtiges Zugpferd bewusster, globaler Veränderung bereitet im doppelten Sinne den Boden für eine andere Welt. Ohne das Commoning jedoch, kann sie den Wandel nicht leisten, weil sie andernfalls die ursächlichen Grundlagen unserer auf Krisenkurs befindlichen Zivilisation nicht mit aufgreift. Commoning ersetzt dabei systemisch präzise, aber praktisch vorsichtig tastend und langsam einübend das kalte Waren-Herz unserer Gesellschaft durch seine liebevolle Variante.


Weiterführende Literatur:

1 Friederike Habermann | „Ecommony - UmCARE zum Miteinander
2 Simon Sutterlütti und Stefan Meretz | „Kapitalismus aufheben - Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2019 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten.

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