Geplantes Pferdeglück

Gestaltung eines Aktiv-Offenstalles mithilfe permakultureller Überlegungen


Geplantes Pferdeglück und gute Erfahrungen im Aktiv-Offenstall: Dimi lernt, sich hinzusetzen! (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Geplantes Pferdeglück und gute Erfahrungen im Aktiv-Offenstall: Dimi lernt, sich hinzusetzen! (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Huhn Amalie und Dimi sind Freunde. Seither fürchtet sich Dimi nicht mehr vor seinen gefiederten Mitbewohnern (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Huhn Amalie und Dimi sind Freunde. Seither fürchtet sich Dimi nicht mehr vor seinen gefiederten Mitbewohnern (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Roundpen: Das Ansäen einer essbaren Blumenwiese für Pferde um die ganzen befestigten Aufenthaltsflächen hat sich sehr bewährt (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Roundpen: Das Ansäen einer essbaren Blumenwiese für Pferde um die ganzen befestigten Aufenthaltsflächen hat sich sehr bewährt (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Geplantes Pferdeglück und gute Erfahrungen im Aktiv-Offenstall: Dimi lernt, sich hinzusetzen! (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

Geplantes Pferdeglück und gute Erfahrungen im Aktiv-Offenstall: Dimi lernt, sich hinzusetzen! (Foto © Claudia Negri, Federica Coco)

von Claudia Negri

Ausgerechnet am ersten Tag des Lock-Downs im März 2020 begannen wir zu bauen. Es entstand ein Offenstall für zwei Warmblutpferde. Der Weg bis dorthin war sehr spannend und lehrreich, aber auch nicht ganz einfach.

Mein Pferd Dimi hatte schon einiges erlebt. Er war in geschlossenen Boxen untergebracht, allein auf der Koppel, im Weidegang in der Herde, in Boxen mit freier Auslaufhaltung und schließlich in Offenstallhaltung mit drei anderen Pferden mit stets zugänglicher Weide. Die Verhaltensänderungen, die ich bei ihm beobachten konnte, sprachen Bände. Je mehr Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit Dimi hatte, wo er sich wann im Stall oder auf der Weide aufhalten mochte und wann er fressen oder doch lieber mit anderen Pferden spielen oder dösen wollte, desto ausgeglichener war sein Wesen und freudiger seine Zusammenarbeit mit mir.

Welcher Stall ist richtig?

Elf Jahre lang war ich auf der Suche nach einer Stallform, die die wesensbedingten Bedürfnisse der Pferde an erste Stelle stellt. Während dieser Zeit las ich alles, was ich über Pferdehaltung und Weidemanagement fand. Doch in den meisten Büchern war die Haltungsform noch sehr vom Bild der Pferdehaltung aus den letzten Jahrhunderten geprägt. Einer Zeit, als das Pferd noch fast ausschließlich zum Erledigen von Schwerstarbeit gehalten wurde, nämlich zum Ziehen von Pflügen und Kutschen oder als Lasttier. Diese Pferde wurden oft im Stall angebunden oder sie waren in engen Boxen untergebracht. Sie sollten zeitsparend schnell für die Arbeit bereitstehen. Auf die natürlichen Bedürfnisse der Tiere wurde eher selten geachtet. Auch heute noch werden sie vor allem in Pferdesportanlagen in mehr oder weniger engen Boxen gehalten und oft einzeln auf kleinen Weideabschnitten zum Grasen verteilt. Diese Weiden sind stark überweidet, oft überdüngt und mit wenigen, für Pferde ungeeigneten, sehr zuckerhaltigen Hochleistungsgräsern bewachsen, die einen solchen Weidedruck überhaupt verkraften. Es ist sicher nicht böse Absicht, sondern oft Unwissenheit über die Bedürfnisse und die natürlichen Verhaltensweisen der Pferde, die zu diesen Umständen geführt haben.

Glücklicherweise ist in der Pferdehaltung und auch beim Reiten in den letzten Jahren ein Wandel zu beobachten. Immer mehr wird auch dem Wesen Pferd Rechnung getragen.

Bei meinen Recherchen habe ich daher auch sehr interessante Literatur zu diesem Thema gefunden. Insbesondere das Buch „Pferdehaltung und Permakultur“ von Tanja Romanazzi ließ mich aufhorchen. Ich hatte den Begriff der Permakultur noch nie gehört. Hier fand ich viele neue Ansätze und Sichtweisen, wie durch optimale Planung eine ökologische Aufwertung eines Pferdebetriebs möglich ist. Durch das geschickte Einbetten der Anlage in die Natur und durch das Ausnutzen von gegebenen Ressourcen wie Wasser, Wind, Topographie und Sonnenverlauf kann sehr viel Nutzen gewonnen werden. Erschafft man auch noch Kreisläufe wie zum Beispiel durch das Herstellen von Terra Preta aus Pferdemist, ist der Aufbau von Humus ein äußerst nützliches Nebenprodukt, das allen Beteiligten wieder zugutekommt: gesunde Mikrobiologie und Makrobiologie im Boden, gesundes Gras, gesunde Pferde, weniger Zusatzfutter und Tierarztkosten, glückliche Besitzer.

Als ich die Autorin kontaktierte, empfahl sie mir, den Permakultur Design Kurs online bei Geoff Lawton zu besuchen. Dieser Kurs öffnete mir die Augen zu einer wunderbaren, neuen, unglaublich vielfältigen Wahrnehmung der Natur und ihrer Muster. Hier konnte ich mein Projekt Offenstall für zwei Warmblutpferde planen. Denn mein Traum, dass unsere beiden Pferde zu uns nach Hause ziehen konnten, war 2015 durch eine Änderung in der Raumplanung näher gerückt. Seither ist auch in der Schweiz in der Landwirtschaftszone eine hobbymäßige Pferdehaltung möglich.

Doch die Ausgangssituation für die Planung war nicht ganz einfach. Da Neubauten für Hobbytierhaltung in der Landwirtschaftszone nicht erlaubt sind, muss der Stall in unsere bestehende Scheune integriert werden. Die mir zur Verfügung gestellten Weiden sind seit Jahren für Milchkühe intensiv, auch mit Dünger und Herbiziden, bewirtschaftet worden. Zudem ist das Land in Hanglage mit großem Oberflächenwasseraufkommen gesegnet.

Aktives Pferdeleben

Das Ziel eines Aktiv-Offenstalles für die Pferde ist es, möglichst viele Bewegungsanreize zu schaffen. Sie brauchen eine Aufenthaltsfläche außerhalb des Stalles, die für sie frei zugänglich ist. Dieser sogenannte Paddock soll nun durch verschiedene Wege sinnvoll mit dem Stall und den Weiden verbunden sein, ohne dass bei sehr nassem Wetter Matsch entsteht, wenn sie von den Pferden benutzt werden. Außerdem müssen Anreize geschaffen werden, damit die Tiere diese Möglichkeiten auch nutzen, da sie von Natur aus eigentlich Energiesparer sind. Das Heu, die Tränke, die Schlafstelle und der Leckstein sollten daher möglichst weit voneinander entfernt angeordnet werden. Dadurch können auch sehr interessante und ökologisch wertvolle Nischen gestaltet werden. Hier liegt ein großes Potenzial, der Natur etwas zurückzugeben – quasi im Austausch für die teilweise Versiegelung des Bodens in den Bereichen des Paddocks und der befestigten Wege. Diese sollten sehr verschieden gestaltet sein. Es ist wichtig, den Pferden viele verschiedene, auch in der freien Natur vorkommende Bodenstrukturen anzubieten. Es sollten harte und weiche Böden vorhanden sein. Neben der Weide können beispielsweise Kies, Sand, Mergel, Verbundsteine und Holzschnitzel eine notwendige Abwechslung für die Hufe bieten. Für das gesunde Wachstum der Hufe ist die verschiedene Belastung auf den unterschiedlichen Böden wie in der Natur maßgebend für ihre Härte, Elastizität und Statik. In den vier Monaten seit Dimis Einzug konnte ich eine starke Verbesserung seiner Hufe beobachten. Im vorherigen Stall stand er durchweg auf weichem Boden, auf der Weide und Holzschnitzel.

Als weiteres mehrfunktionales Element können Totholzhecken auf der einen Seite von den Pferden angeknabbert und auf der anderen Seite von Igeln bewohnt werden. Steinhaufen können mit Lecksteinen ergänzt und von Reptilien besiedelt sein. Eine für Pferde essbare Hecke kann gleichzeitig als Windschutz dienen und durch geschickte Pflanzenwahl auch vielen Vögeln Futter und Nistplätze bieten. Eine Reihe Kopfweiden, aus einer für Pferde geeigneten Weidenart, als Raumteiler auf der Koppel ist mineralstoffreiches Futter, kann mit ihren Wurzeln die Wasserregulation im Boden positiv beeinflussen und als Schattenspender dienen. Werden die Randzonen von Pferdeweiden und Wegen mit für Pferde essbaren Blumen und Kräutern eingesät, entstehen wunderbare Insektenweiden und unter dem Zaun hindurch auch beliebte und gesunde Pferdesnacks.

Das Ziel eines Aktiv-Offenstalles sollte also auch sein, ökologische Nischen zu gestalten und ein Habitat für viele Insekten, Reptilien, Vögel und Kleinsäugetiere zu schaffen. Aber auch das Diversifizieren der Pflanzen ist wichtig. Weg von den Pferdeweiden mit wenigen Sorten Hochleistungsgräsern, hin zu Weiden mit verschiedensten Grassorten. Dieses Ziel zu erreichen ist nicht einfach. Ein wertvolles Instrument auf diesem Weg ist die permakulturelle Sektorenanalyse. Ich möchte kurz auf einige der wichtigen Energieflüsse und Elemente eingehen:

Der Sonnenverlauf

Zu wissen, wann die Sonne wo steht, ist sehr hilfreich bei der Planung. Eine Furt im Vollschatten des Hauses wird im Winter wahrscheinlich eine Eisbahn, der unbeschattete Liegeplatz im Sommer kaum genutzt.

Der Boden

Ist der Boden, wie in meinem Fall, schon seit langer Zeit mit Hochleistungsgräsern bewachsen, wurde regelmäßig Gülle ausgefahren, synthetisch gedüngt, wurden Herbizide und Fungizide angewendet, ist der Wunsch nach einer Weide mit zuckerarmen Gräsern/Kräutern/Blumen-Mischkultur schwierig zu erreichen. Diese Umstellung braucht eine gut geplante Strategie, wie sie zum Beispiel Jane Mayers in ihren Online-Kursen zeigt.

Berücksichtigt man in der Planung die Topographie des Bodens, kann in Senken, in denen sich das Wasser sammelt, zum Beispiel eine Furt gebaut werden, aber auf keinen Fall ein Liegeplatz. Dem Verlauf des Oberflächenwassers bei Starkregen ist Beachtung zu schenken, da dieses Wasser viel Erosion verursacht und neue Holzschnitzelplätze und Kieswege wegschwemmen kann.

Das Wasser

Das Wassermanagement in der Pferdehaltung ist schwierig. Ein Pferd trinkt etwa 20 Liter pro Tag. Da Pferde sehr anspruchsvoll sind, was die Wasserqualität betrifft, braucht es eine Frischwasserquelle, um dieses Grundbedürfnis zu befriedigen. Andererseits braucht es auch eine gut überlegte Drainage der befestigten Plätze und Wege. Dieses Drainage-Wasser gilt es möglichst lange und nutzbringend auf der Parzelle zu halten, indem eine Furt oder ein Gießwasserbehälter befüllt, ein Teich angelegt oder es als Grauwasser im Haus (zum Beispiel für die Toilettenspülung) verwendet wird.

Eine große Herausforderung in der Pferdehaltung ist das Verhindern von Matsch. Werden Pferde auf unbefestigtem Boden in einem relativ engen Platz gehalten, entsteht bei Nässe ein Mix aus Schlamm, Urin und Pferdeäpfeln. In diesem Matsch wachsen keine Pflanzen mehr und er ist mit Fäulnisbakterien besiedelt, was schädlich für die Pferdehufe ist. Das ist der Grund, weshalb es in Offenstall-Anlagen immer befestigte Areale und Wege gibt, wo sich die Pferde auch bei Regenwetter aufhalten können, ohne Schaden zu nehmen.

Der Bewuchs

Die Pflanzen auf dem Grundstück sagen sehr viel über die Bodenbeschaffenheit und das Wasservorkommen aus. Es ist essenziell, alte Bäume und Büsche zu belassen und zu integrieren. Große Haselbüsche, Obstbäume und Weiden (Salix alba) können geerntet werden und sind ein willkommener Mineralstofflieferant. Meine Pferde lieben diese Knabberei und lassen dafür die Holzwände des Stalles unbehelligt.

Geschlossene Kreisläufe

In der permakulturellen Planung ist es wichtig zu berücksichtigen, welche Rohstoffe die Parzelle verlassen und ob sie nicht sinnvoll in den Kreislauf eingebunden werden könnten. Der Pferdemist wird in vielen kleinen Pferdeställen in Mulden gesammelt und kostenpflichtig abtransportiert. Das ist sehr schade, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Pferdemist zu kompostieren oder zu fermentieren respektive daraus Humus oder Terra Preta herzustellen.

Wege

Ein Kernpunkt der Permakulturplanung ist es, die Wege, die am häufigsten genutzt werden, möglichst kurz und deren Verlauf sinnvoll zu gestalten, um später bei der Nutzung möglichst effiziente, energie- und zeitsparende Abläufe zu ermöglichen.

Die Planung selbst ist dann ein spannendes Puzzle, bei dem alle beobachteten Punkte und Analysen berücksichtigt und neue Strukturen verbunden und eingebaut werden. Der Anspruch sollte dabei immer eine möglichst sanfte, für den Zweck sinnvolle und in den fünf Zonen abnehmende Einmischung in die Natur sein, die dem Menschen zeit- und energiesparende Arbeitsabläufe ermöglicht.

Nach fast drei Monaten Umsetzung konnte Dimi mit seiner Gefährtin Pascalette im Frühsommer 2020 endlich einziehen. Die Anlage hat sich von Anfang an bewährt, aber die Pferde brauchten zwei Wochen, bis sie sich zum Schlafen hinlegten, und einen weiteren Monat, bis sie sich sicher genug fühlten, auch mittags draußen liegend ein Nickerchen zu machen.

Es war vielleicht mutig, aber auf alle Fälle sehr spannend und lehrreich, die gesamte Planung, behördliche Abklärungen, Kostenplanung und auch die Bauführung selbst zu übernehmen. Da wir mit kleinen lokalen Baufirmen arbeiteten, hatten wir die Möglichkeit, mit anzupacken und viele Teilschritte selbst auszuführen. Ein perfekter Zeitvertreib, da wir durch den Lockdown sowieso alle zu Hause bleiben mussten. Schwierig war die zeitliche Koordination der verschiedenen Bauphasen. Auch würde ich bei einem weiteren Projekt unbedingt schriftliche Berichte verlangen, wenn zusätzliche, dem Kostenvoranschlag nicht enthaltene Zusatzleistungen verlangt werden, um die finanzielle Übersicht nicht zu verlieren.

Könnte ich mir noch etwas wünschen, wäre es mehr Weideland, damit sich die Gräser nach der Beweidung eine längere Zeit erholen können. Ich bin gespannt, wie sich die Pflanzenwelt in den nächsten Jahren verändern wird, wenn keine Gülle mehr ausgefahren, Pferdeäpfel aufgesammelt, ein Teil der Terra Preta ausgebracht und immer wieder eine Übersaat mit extensiven Gräsern gemacht wird.

Diese wunderbare, intensive Erfahrung hat mich nicht nur über den Begriff Permakultur stolpern lassen, sondern ich bin auch daran hängen geblieben: In der Permakultur-Ausbildung warten viele weitere spannende Projekte. Daher bin ich immer auf der Suche nach Literatur, Forschungsarbeiten sowie guten und schlechten Fallbeispielen in der Pferdehaltung – man kann von beiden viel lernen.

 


Claudia Negri ist seit 2020 in der Ausbildung zur Permakultur-Designerin und freut sich über Rückmeldungen und Erfahrungsaustausch: s.c.negri@bluewin.ch

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