Gemüsevielfalt ohne Bewässerung im Trockengebiet

Erfahrungen mit Dammkultur nach Turiel


Dammkultur nach Julian Turiel

Das Foto zeigt die Dammkultur nach Julian Turiel. Hier wächst das Gemüse ohne Bewässerung auch in Trockengebieten. Besonders praktisch ist diese Art des Gemüseanbaus für kleinere, regionale Betriebe, die hochwertiges Gemüse produzieren.

Paprika und Endiviensalat

Einige der Kulturpflanzen wurden gesetzt, andere sind von selber aufgegangen: Paprika als Hauptkultur und Endiviensalat. Die Endivie hat im Frühjahr 2017 abgeblüht, und kommt unter den Paprikapflanzen wieder. So können wir beides ernten.

Zwiebel bereit zur Handernte

Das Foto zeigt Zwiebeln bereit zur Handernte für die Solidarische Landwirtschaft. Einige Arbeiten auf dem Gemüseacker sind Handarbeit, bei anderen unterstützt uns ein Traktor. Mit diesem ziehen wir einmalig die Dämme der Saison und halten die Wege frei von Unkraut.

Asiasalat nach der Überwinterung

Radicchio als Hauptkultur: Vorfrucht waren Asiasalate welche im Minitunnel über den Winter standen und im Frühjahr abblühten. Es ist bemerkenswert, wie gesund die Blätter von dem Asiasalat sind, obwohl die Keimung in der Augusthitze begann. Kein Fraßschaden vom Erdfloh.

von Rudolf Hoheneder

Auf dem Hawaruhof in Oberstockstall in Kirchberg am Wagram, Niederösterreich begannen Hannelore Walter und Rudolf Hoheneder 2013 in Solidarischer Landwirtschaft Gemüse zu produzieren. Auf 1,5 Hektar Land gedeiht sommers wie winters eine frische Vielfalt für 25 bis 30 Ernteanteile, die den laufenden Betrieb finanzieren. Ganz ohne öffentliche Gelder trägt der Betrieb eine volle Arbeitskraft und zusätzlichen Aushilfen zum Pflanzen setzen und bei der wöchentlichen Ernte. Hin und wieder helfen auch Mitglieder bei Engpässen mit.

Oberstockstall liegt auf 247 Metern Seehöhe im Weinbaugebiet Wagram mit einer Jahresmitteltemperatur von 9,5 Grad Celsius. Die Jahresniederschläge sind in den letzten Jahren sehr unterschiedlich und schwanken etwas, liegen aber im Durchschnitt zwischen 300 und 400 Millimeter pro Jahr; 2016 lag er bei 700 Millimeter. Der Bodentyp ist ungefähr 50 Zentimeter Schwarzerde und darunter 30 Meter Löss. Ganz wichtig ist es daher, Bedingungen zu schaffen, bei denen der Boden gut Wasser speichern kann. Das gelingt uns mit der Dammkultur nach Julian Turiel.

„Erfinder“ der Dammkultur

Julian Turiel ist in Nordspanien auf einem Bauernhof aufgewachsen und hat die alte Tradition des Ackerbaus mit Zugtieren, auf Dämmen und den Einsatz des Pfluges auf dem elterlichen Betrieb miterlebt. Er konnte beobachten, dass die Getreideähren von Feldern auf Dämmen länger wurden als dort, wo sie den Boden mit dem Pflug bearbeiteten. 1980 ging Turiel nach Deutschland, dort machte er eine biodynamische Ausbildung. Dabei erkannten einige Landwirte sein Erfinderpotential und unterstützten ihn bei der Entwicklung des Häufelpfluges, aus welcher dann die Dammkultur entstand.

Grundlage der Dammkultur ist es, den Boden in einigen Überfahrten tief zu lockern um verdichtete Schichten an die Oberfläche zu bringen. Anschließend werden Dämme gezogen auf welchen Kulturpflanzen oder Begrünungspflanzen angebaut werden. Danach gibt es keine weitere tiefe Bodenbearbeitung, der Boden soll von selbst in die Gare, das heißt in einen gut durchlüfteten Zustand gehen. Es gibt unterschiedliche Dammbreiten, die mit der Spurbreite des Traktors korrelieren.

 Spurbreite beim Zuggerät

 Dammbreite

 Arbeitsbreite

 180 cm

 45

 8 Dämme à 45 cm = 3,60 m

 

 60

 5 Dämme à 60 cm = 3 m

 

 90

 4 Dämme à 90 cm = 3,60 m

 150 cm

 50

 5 Dämme à 50 cm = 2,50 m

 

 75

 4 Dämme à 75 cm = 3 m

Die Dämme werden nach dem System Turiel jedes Jahr neu gezogen, im Herbst werden 90er Dämme mit Begrünung eingesät. Im Frühjahr wird umgehügelt und die Kulturpflanzen werden auf 45er und 60er Dämmen oder 50er und 75er Dämmen angebaut.

Im Jahr 2014 habe ich begonnen nach diesem System zu arbeiten. Nach ersten Erfahrungen mit einem Gerät in Eigenbau und mit Werkzeugen von Julian Turiel, wurden im intensiven Austausch mit ihm neue Werkzeuge für den Gemüsebau entwickelt. Es folgten Experimente mit vielen Werkzeugen und verschiedenen Dammbreiten. Wertvolle Erfahrungen konnten gesammelt werden, speziell 2014, ein Jahr mit wenig Niederschlag, als der Regen erst im Herbst kam. Die gesamte Gemüsefläche stellten wir 2016 auf ein 90er Dammsystem mit 180 cm Spurbreite beim Traktor um. Ich verändere meine gezogenen Dämme in der Vegetarionsphase nicht mehr. Sie bleiben immer an derselben Stelle.

Praxiserfahrungen

Meine Erfahrungen und Erkenntnisse nach vier Jahren Praxis sind folgende:

Der Damm ist mehr als aufgehäufelte Erde. Durch wiederholtes tiefes Bearbeiten in der Furche zwischen den Dämmen und gleichzeitiges Abscheren der oberen Dammkrone, entsteht ein feuchter Dammkern. Feuchtigkeit von unten steigt nach jedem Bearbeitungsschritt nach oben. Der feuchte Dammkern ist die Grundlage zum Keimen der Samen und für die Weiterentwicklung der gesetzten Pflanzen. Durch diese Art der Bodenbearbeitung keimen die gesäten Samen ohne Bewässerung und die gesetzten Pflanzen wachsen ohne Eingießen an.

Eine gute Bodenqualität, das heißt ein gut durchlüfteter krümeliger Boden, entsteht von selbst, wenn man dem Boden Zeit gibt. Brocken zerfallen von selbst, die Bakterien werden nicht zerstört. Ein wichtiges Merkmal für mich ist der Geruch des Bodens. Es sollte gut riechen, wenn es nicht gut riecht dann sind die Rotteprozesse noch nicht abgeschlossen.

Alle organischen Substanzen werden nach der Ernte mit einem vom Traktor angetriebenen Mulch Gerät zerkleinert. Das Mulch-Material und die Wurzelreste werden in einem Arbeitsgang seicht eingearbeitet. Anschließend folgt etwa zehn Tage später der Aufbau eines feuchten Dammkernes.

Zum Pflanzen setzen verwende ich den Multifunktionsrahmen, dies ist dasselbe Gerät wie zur Bodenbearbeitung. Ich verändere nur die Anordnung der Werkzeuge daran. Auf diese Weise können zwei Personen bis zu 1000 Presstopfpflanzen und 200 Topfpflanzen (Tomaten, Paprika, Melanzani, Gurken und so weiter) pro Stunde setzen. Die Dammkrone wird mit einem Werkzeug, dem Kronenräumer, etwas abgeflacht und in den feuchten Dammkern werden die Pflanzen händisch hineingesetzt. Mit einem anderen Werkzeug werden die Pflanzen gleichzeitig zu gehäufelt. Ein Angießen der Pflanzen ist nach dem Zuhäufeln nicht notwendig.

Zum Beikrautjäten, nutze ich den Multifunktionsrahmen in den ich Hackdrähte (Stangen aus Federstahl) einspanne. Damit kann ich beim Hacken sehr nahe an die Kulturpflanzen herankommen. Die Maschinenhacke erfolgt zwei bis drei Mal, ist je nach Kultur und Kulturdauer unterschiedlich. Dadurch hat sich der Handjäte-Aufwand um 90 Prozent reduziert. Viele Pflanzen kann ich ohne Handjäte zur Ernte bringen. Bei Kulturen, die ein leichtes Häufeln vertragen, wie Bohnen, Kohlarten, Rettiche, Mais, Tomaten, Paprika entfällt gänzlich die Handjäte. Bei anderen Kulturen wie Karotten und Sellerie ist einmal ein Durchgang mit der Hand erforderlich. Ein positiver Effekt beim Durchfahren mit dem Multifunktionsrahmen zum Hacken ist, dass der verkrustete Boden gebrochen wird. Durch die tiefe Bodenbearbeitung mit den Grindeln in der Dammfurche, entsteht ein sehr lockerer Boden der als Wasserspeicher dient. Bei jeder Bearbeitung mit dem Multifunktionsrahmen wird wieder Wasser frei, und kann über die Kapillarwirkung nach oben steigen.

Mit dem Multifunktionsrahmen kann man mit einfachen Werkzeugkombinationen die Ernte von Gemüsepflanzen erleichtern. Gut funktioniert das bei allen Wurzelfrüchten wie Karotten, Rote Rüben, Rettiche, Mairüben, Sellerie, Pastinaken, Zwiebeln. Durch eine eigene Einstellung mit den Hackdrähten kommt das Erntegut ganz schonend an die Oberfläche. Die Ernte mit der Hand ist damit um vieles leichter.

Permanente Dammkultur

Ein weiteres Entwicklungsfeld von mir ist es, Pflanzen in den Dämmen, geschützt durch einfache Minitunnels, zu überwintern und während des Winterhalbjahres zu ernten. Einige Pflanzen lasse ich stehen und im Frühjahr abblühen. Das hat auch einen sehr positiven Aspekt für die Insektenwelt, wie ich in den letzten Jahren beobachten konnte. Nach der Samenreife werden die Pflanzen gemulcht und in Dämme eingearbeitet. Das ist derselbe Arbeitsschritt wie oben beschrieben nach dem Abernten. Das wichtigste ist die organische Masse in einen Rottezustand zu bringen. Dies benötigt nach meinen Erfahrungen mehrere Überfahrten mit dem Multifunktionsrahmen mit unterschiedlichen Werkzeugen. Das wichtigste ist wieder Feuchtigkeit in den Damm zu bekommen. Dadurch beschleunigt sich die Rotteprozesse, und viele Gemüsearten wachsen besser in einem garen gut durchlüfteten Boden, frei von organischen Resten.

2016/17 ist es mir gelungen, Radicchio mit einem einfachen Minitunnel zu überwintern. Wir haben im Jänner bei minus 10 Grad geerntet. Im März ist er aus den Wurzeln noch einmal ausgetrieben. Wir haben dreimal frische Blätter geschnitten und ihn dann abblühen lassen für die Insektenwelt. Gemulcht wurde er im Juli und es erfolgte dieselbe Bodenbearbeitung wie nach dem Abernten. Ende August 2017 habe ich gesehen, dass der ganze Damm voll ist mit Radicchio Jungpflanzen. Wir konnten den ganzen Herbst frische Blätter von Radicchio ernten. Im Frühjahr 2018 wurden die Dämme bearbeitet und im Mai Zucchini gesetzt. Nun sind die Zucchini Ende September abgeforstet, darunter wuchsen wiederum Radicchio und Vogelmiere. Ich werde die Blätter noch ernten und der Damm bleibt über den Winter mit Vogelmiere begrünt.

Auch ein weiteres Beispiel funktionierte so ähnlich: Im Herbst 2017 setzten wir verschiedene Asiasalate und überwinterten sie im Minitunnel. Im Frühjahr ließen wir sie Abblühen und mulchten im Juni 2018. Die Dämme wurden wie gehabt bearbeitet und so der feuchte Dammkern erzeugt. Anfang August setzten wir Radicchio und es wurde zweimal gehackt. Jetzt ist der ganze Damm begrünt mit verschiedenen Asiasalaten. Die Blätter sind ganz gesund, es gibt keinen Erdflohbefall, und das alles ohne Bewässerung. Jetzt ernten wir Asiasalate im Jänner, dann Radicchio und nachher lassen wir das abblühen. Und wir sind gespannt, was nächstes Jahr kommt: Eine Mischung aus Asia und Radicchio?

Die Permanente Dammkultur ist für mich ein spannendes Entwicklungsfeld, die solidarische Landwirtschaft als Betriebsform eignet sich sehr gut dafür. Dieses Feld möchte ich noch weiter ausbauen.

Meiner Beobachtung nach entwickeln sich die Kulturpflanzen in Dammkultur sehr gut. Ohne Bewässerung müssen die Pflanzen viel mehr Wurzelmasse bilden und können so mehr Mineralstoffe aufnehmen. Dies hat auch einen Einfluss auf den Geschmack. Ich bekomme dazu jede Woche positive Rückmeldungen von meinen Mitgliedern.

Da bei der wöchentlichen Verteilung immer auch Gemüse übriggeblieben ist, haben wir 2016 mit der Fermentation von verschiedenen Sorten begonnen. Es entsteht wertvolles Gemüse in Gläsern mit sehr unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, das auch lange haltbar ist. Gerade entwickeln wir einen eigenen Betriebszweig mit fermentiertem Gemüse.

Zusammenfassend kann ich feststellen: Gemüsebau mit Dammkultur nach Turiel ist eine einfache Methode und gut geeignet für kleine Betriebe, die so ohne großen Kapitalaufwand gutes Gemüse erzeugen können. Ein einfacher Traktor ohne viel Technik genügt, um den Multifunktionsrahmen zu ziehen. In letzter Zeit habe ich begonnen mein Wissen auch in Form von Workshops und Lehrgängen weiter zu geben. Gerade in unserer heutigen Zeit wird es immer wichtiger, kleine regionale Betriebsstrukturen zu fördern, die hochwertige Lebensmittel produzieren.


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2019 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten. Mehr Informationen zum Hof findest du auf der Webseite www.fermentarium.at und noch mehr Wissen zur Dammkultur gibt es auf www.dammkultur.info

 

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