Ein Wochenende in einer WG, in der vieles selbstgemacht wird

‘Suffizienz und Subsistenz‘ mal praktisch - Gregor Scholtyssek berichtet uns von einem Selbermach-Wochenende in seiner WG. Gregor und seine Mitbewohner reparieren, bewahren Dinge vor dem Müll und stellen unter anderem selbst Essig und Marmelade her.


Huuh, ganz schön kalt: Der Dezember ist angebrochen und endlich gibt es ein bisschen Winterwetter. Spätestens jetzt wird mir klar, dass ich die Balkontür im Schlafzimmer abdichten muss: Der Rahmen ist so verzogen, dass es ordentlich zieht. Ich stehe auf und überlege, den Ofen anzumachen, damit es nachher, wenn die Tür dicht ist, schön warm wird. Aber dann entscheide ich mich dagegen, weil wir ja vorhaben, heute die meiste Zeit mit praktischer Arbeit und in der Küche zu verbringen. Beim Arbeiten wird einem von alleine warm und in der Küche werden wir den Herd heute eine Weile anhaben. Aber dazu gleich.

Hausarbeit und Basteln in der WG

Wochenende – das ist ein Konzept, das in einer WG voller Selbstständiger nicht allzu oft vorkommt. Dieses Mal hat es allerdings geklappt: Die meisten von uns haben sich am Freitag Abend erstmal von ihrer Arbeit (für Ehrenamt oder Einkommen) losgeeist, sodass Samstag und Sonntag Zeit für Hausarbeit und Basteln bieten. Jetzt wo der Winter vor der Tür steht und mehrere Babys unterwegs sind, gibt es viel zu tun, um die Wohnung auf beides vorzubereiten.

Und für ein paar schöne Bastelarbeiten ist natürlich auch Zeit: Gestern haben wir, zusammen mit einer Freundin aus der Straße, einen Ausflug in den Garten gemacht, um Nadelzweige und Weidenruten für Adventskränze zu schneiden. Außerdem wollten wir mehr von den Walnüssen mit nach Hause nehmen, die wir dort im Herbst im Garten gesammelt und zum Trocknen aufgehängt hatten und mussten den zu Hause angesammelten Kompost ausleeren.

Essig selber machen

Der war gerade besonders voll, weil wir Essig abgefüllt hatten: Beim Saftmachen im Herbst haben wir die Schnibbelreste von Äpfeln und Birnen in einem Fass mit Wasser und einer Essigmutter angesetzt. Diese Mischung ist jetzt zu 20 Liter leckerem Essig geworden, der gar nicht so lange reichen wird, weil wir ihn nicht nur zum Würzen benutzen, sondern auch als Reinigungs- und Waschmittel und sogar als Shampoo. Er ist in der WG mittlerweile so beliebt geworden, dass eine Mitbewohnerin – die sonst selbstgemachten Fermenten gegenüber eher skeptisch ist – während des Abseihens in die Küche kam und meinte: „Oh, riecht das geil! Frischer Essig, yeah!“ Die übrigbleibenden Feststoffe – der ‚Trester‘ ist voller guter Bakterien, über die sich der Kompost freut.

Kleine Reparaturen

Wieder zu Hause in der Küche bekamen die beiden Adventskranz-Bastlerinnen Besuch von Marion, unserer Nachbarin, die Floristin ist und viele wertvolle Tipps dazu geben konnte. Die Kerzen dafür kamen aus einem Gebrauchtwarenladen und wurden mit recycelten Drahtstücken befestigt. Auf die Weise reparierte ich währenddessen meinen geflochtenen Klamotten-Korb, der sich aufzulösen drohte. Ein schönes Gefühl, mit einem bisschen altem Draht und etwas Geduld ein Möbelstück zu retten.

So ähnlich geht es mir auch heute, als ich die Balkontür abdichte. Meine ersten Überlegungen gingen zu langen Stoffwülsten, aber in der Kammer fanden sich auch noch ein paar alte Schaumstoffbänder, die genau dafür gemacht sind. Beim Stöbern merke ich auch wieder, dass die Kammer schön warm ist, weil die Heizungsrohre dort auch nach oben und unten laufen und den Raum heizen, wenn die Nachbarn ihre Heizung aufdrehen. Hier kann ich also auch gleich gemütlich arbeiten, ohne den Ofen anzumachen.

Obst haltbar machen

Zwei Mitbewohnerinnen machen sich währenddessen daran, die letzten Quitten zu verarbeiten: Wir haben im Herbst viele geschenkt bekommen und im Hinterhof geerntet, sodass jetzt noch mehrere Kilo von ihnen übrig sind. Wir entscheiden, sie zu Mus zu machen, wofür die beiden sie kleinschnibbeln, aufkochen und durch die ‚Flotte Lotte‘ drehen. Ein Teil davon soll gezuckert zu Marmelade werden, der andere ungesüßt als Kompott oder Müsli-Zutat haltbargemacht werden.

Bett und Lampen für die Babys

Mitbewohner Nummer drei fängt an, aus vorhandenem Holz ein neues Bett zu bauen, damit er und seine schwangere Freundin ab sofort nicht mehr ins Hochbett klettern müssen. Ich repariere währenddessen in der warmen Kammer eine alte Lichterkette. Die habe ich mal irgendwo im Müll gefunden. Ihr Netzteil ist abgerissen und muss wieder angelötet werden. Dann baue ich in unserem im Schlafzimmer zwei Lampen mit schwachem Licht ein, damit wir, wenn das Baby da ist, nachts Licht am Bett zum Stillen anmachen können und morgens eine andere Lampe zum Ankleiden, während die anderen weiterschlafen. Die Lampen hatten wir bei einer Haushaltsauflösung gefunden und die Glühbirnen im Gebrauchtwarenladen gekauft.

Lebensmittelverarbeitung Teil 2

Gesine und Anne sind mittlerweile dazu übergegangen, Sauerkraut zu machen: Von unserer Solidarischen Landwirtschaft haben wir mehrere große aufgeplatzte Kohlköpfe bekommen. Die müssen ausgeputzt und gewaschen und dann in Streifen geschnitten werden. Ich mache erstmal Mittagessen für alle. Ich schneide regionales Gemüse – Kürbis, Möhren, Zwiebeln, Knoblauch  – und die nicht fürs Sauerkraut verwendbaren Strünke des Weißkohls auf und fülle ein Ofenblech damit. Wobei – wenn wir den Ofen schon anmachen, kann es sich ja auch lohnen. Ich schnibble also noch ein Blech voll, sodass es auch für die nächste Mahlzeit noch reichen könnte und schiebe noch ein drittes mit Äpfeln fürs Vesper dazu, die wir im Herbst gepflückt und eingelagert haben. Anne kochte dazu eine Erbsensuppe und ich noch ein bisschen ganzen Dinkel – spätestens jetzt ist die Küche richtig schön mollig warm: Die Quitten und das Mittagessen auf dem Herd, dazu der Ofen – da muss man nicht mehr heizen.

Nach dem Essen drehen wir die letzten Liter Quittenmus durch die Flotte Lotte und geben die übrigbleibenden Feststoffe in das jetzt leere Essigfass – um auch aus ihnen noch ein bisschen leckeren Essig zu machen. Dann machen wir uns dann daran, die Berge von geschnittenem Kohl in großen Schüsseln – bzw. kleinen Wannen – zu salzen und durchzukneten, um den Krautsaft rauszupressen. Puuh, keine leichte Arbeit: nach den ersten fünf Minuten denkt man immer, gleich eine Sehnenscheidenentzündung zu bekommen. Aber wenn man dann ein paar Minuten ausruht und die Handgelenke lockert, ist man warm und dann geht die nächste halbe Stunde leichter :-)

Als letzten Akt für heute füllen wir alles in Gläser: Das Sauerkraut soll darin gären und kommt dafür in die konstant warme Kammer und das Quittenmus kochen wir auf dem Herd ein. Was für ein Wochenende – wir haben repariert, Dinge vor dem Müll bewahrt, wiederverwendet, uns über die eingelagerten Früchte des Sommers gefreut, mehr für den Winter haltbar gemacht und dabei sehr angenehm Zeit miteinander in der Küche verbracht. Abends falle ich glücklich ins Bett und überlege, ob ich wohl morgen mal mein Arbeitszimmer heizen muss, oder mir wieder beim praktischen Tun Herz und Hände warm werden.

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