Die geodätische Kuppel als Gewächshaus

Effizient und effektiv wie die Natur selbst


Geodome als Gewächshaus

Geodome als Gewächshaus (Foto © Kai Rosit)

Geodome von innen

Geodome von innen (Foto © Kai Rosit)

Geodome Luftbild

Geodome Luftbild (Foto © Kai Rosit)

Vorstudie Aquaponic Dome

Vorstudie Aquaponic Dome (Foto © Kai Rosit)

von Kai Rosit

Viele Menschen sind von der Idee fasziniert, sich weitgehend auf kleinster Fläche selbst zu ernähren. Jedoch, statistisch betrachtet, benötigen wir derzeit in den Industrienationen zur Prokopfernährung 4.500 Quadratmeter Agrarfläche, Tendenz steigend; so der Bodenatlas von 20151. Die Fläche entspricht etwa der Grösse eines ¾ Fussballfeldes, zu dem befindet sich auch noch ein Grossteil dieser Fläche im Ausland. Was liegt also näher damit zu beginnen sich selbst zu versorgen? Dabei ist ein Gewächshaus ein mögliches Element, das sogar ganzjährig ausserhalb eines Gartens betrieben werden kann und dabei nur wenige Quadratmeter benötigt.

Was spricht für eine geodätische Kuppel als Gewächshaus?

Der Gründer einer amerikanischen Gewächshausfirma, Udgar Parsons, befasste sich bereits vor vielen Jahren mit den geodätischen Kuppeln. Seine Geschichte begann mit einem konventionell gebauten Gewächshaus. Am Fusse der Rocky Mountains wollte er seine Familie auch in den Wintermonaten mit frischem Gemüse versorgen. Jedoch kollabierte schon im ersten Winter das Gewächshaus. Durch diesen Misserfolg stieß er auf die äusserst stabilen geodätischen Kuppeln. Wie sich später herausstellte, war dies nur ein Aspekt von vielen beachtlichen Vorteilen, die für eine Kuppelbauform sprachen. Udgar Parsons verkauft nun seit über 25 Jahren seine geodätischen Kuppeln als Bausatz in die ganze Welt.

Das Tragwerk einer geodätischen Kuppel besteht in seiner einfachsten Form aus lediglich 65 Stück Fachwerkstreben mit nur zwei unterschiedlichen Längen. Diese wiederum setzen sich zu Dreiecken zusammen um anschliessend zu Fünf- und Sechsecken zusammengefasst zu werden. Das Tragwerk erhält durch die verbauten Dreiecke seine enorme Festigkeit. Zur Berechnung der Streben gibt es im Internet bereits gute Gratissoftware2. Damit kann jeder seine eigene Kuppel berechnen und sich sogar für verschiedene Ausführungsmöglichkeiten die Bauteilzeichnungen gleich ausdrucken lassen. 2016 habe ich für einen Recyclinghof an einer Installation mitgewirkt, bei der lediglich Material aus sogenannten Abfällen zum Einsatz kamen. Aus entsorgtem Palettenholz und ausgedienten Stegplatten habe ich eine geodätische Kuppel bauen können. Vorhandenes Material kann so leicht auf die geodätische Kuppel adaptiert werden, und man muss nicht wie üblich, das Material entsprechend der Planung besorgen. Upcycling ist so ganz einfach.

Das bereits beschriebene Fachwerk einer geodätischen Kuppel entspricht einer angenäherten Kugelform. Unter allen geometrischen Volumenkörpern weisst die Kugel das idealste Verhältnis zwischen Aussenfläche und Volumen auf. Bauphysikalisch betrachtet ist das ein sehr interessanter Aspekt, der nur wenig Beachtung erfährt. Moderne Gebäude sind oft quaderförmig, hätten sie hingegen die Form einer Kugel, würde sich das zuvor genannte Flächen/Volumen-Verhältnis um etwa 25 Prozent verbessern. Kurz gesagt, bietet die geodätische Kuppel den grössten Raum bei kleinster Aussenfläche. Das ist ein klares Argument, insbesondere bei einem Betrieb während der Übergangszeit und den Wintermonaten. Während dieser Zeit sollen die Wärmeverluste über die Aussenfläche so gering wie nur möglich gehalten werden.

Bei der passiven Nutzung der Sonnenenergie versucht man durch bauliche Massnahmen Wärme und Licht stets optimal zu nutzen. Dank der Kugelform bietet eine geodätische Kuppel der Sonne zu jeder Tages- und Jahreszeit eine zu den Sonnenstrahlen rechtwinklig befindliche Teilfläche. Sonnenstrahlen, die nicht rechtwinklig auf die Glasflächen fallen, werden teilweise von der Oberfläche reflektiert und stehen so den darin befindlichen Pflanzen nicht mehr zur Verfügung.

Auch sei genannt, dass Gebäudeecken immer kritisch zu betrachten sind, da sich hier Bereiche ausbilden, die je nach Klimabedingung besonders warm oder kalt sein können. Eine Kuppel bietet hier eine homogenere Temperaturverteilung über die gesamte Aussenfläche. Warme aufsteigende, und kältere abfallende Luftschichten bilden im Inneren der Kuppel die Form eines Torus, der eine natürliche Durchströmung der Luftschichten aufrechterhält. So ist die Bauform einer geodätischen Kuppel in vielerlei Hinsicht effizient und effektiv, eben wie die Natur selbst.

Ist die Pflanze gesund freut sich der Mensch

Neben einem guten Boden hat das Sonnenlicht eine entscheidende Auswirkung auf die Pflanzengesundheit. Dass möglichst viel Sonnenlicht im rechten Winkel durch die Aussenfläche fallen soll, habe ich bereits erwähnt. Es lohnt sich demnach auch die Transmissionswerte von Glas, Folien und Platten zu vergleichen. Dass Lichtmangel zu bedenklich nitratreichem Gemüse führen kann, ist hinreichend bekannt. Aber auch fehlende Wellen aus dem UV- und Infrarotspektrum hemmen die Pflanzenentwicklung und damit deren Gesundheit. PE-Gewächshausfolien haben eine gute Lichtdurchlässigkeit im sichtbaren Bereich, die Lebenserwartung der Folie liegt etwa bei sechs Jahren, die Folie ist dabei sehr preisgünstig. Glasscheiben bergen gewisse Risiken durch ihr hohes Gewicht und die Zerbrechlichkeit sind aber, wenn bereits vorhanden, eine gute Wahl. Das UVA-Lichtspektrum wird bei Glas und PE-Folie nur teilweise durchgelassen, das UVB-Spektrum fast gar nicht. Stegplatten aus Polycarbonat beinhalten BPA und sind für Räume, in denen Pflanzen gedeihen sollen, mehr als fragwürdig. Stegplatten aus PVC sollten ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden. Meines Erachtens liegt die sogenannte ETFE-Folie weit vorne. Sie ist klarsichtig, recyclebar und weist eine hohe Durchlässigkeit nicht nur im sichtbaren, sondern auch im Ultravioletten- und im Infrarotbereich auf. In Japan existieren Gewächshäuser, die bereits vor 20 Jahren mit dieser Folie bekleidet wurden. Auch sei das »Eden Project« in Cornwall, UK als Referenz genannt, hier wurde die Folie zu luftgestützten Kissen verarbeitet, die einen hohen Isolationswert aufweisen und ganzjährig ein tropisches Klima beherbergen. Einen Haken hat die Sache allerdings, die Folie wird vorwiegend in der textilen Architektur verwendet und der Vertrieb an Privatkunden gilt als unattraktiv.

Wird es im Gewächshaus zu warm ist eine Be- und Entlüftung zwingend nötig. Leicht lassen sich dreieckige Teilflächen zu Lüftungsfenstern umbauen, vorzugsweise im oberen Bereich der Kuppel. Zu warme Luft wird über diese Fenster ausgeleitet. Für die Öffnungsmechanik empfehlen sich autark-tätige Gewächshausöffner. Ein im Dämpfer befindliches Wachs dehnt sich bei Wärme aus und zieht sich bei Abkühlung wieder zusammen und treibt so den selbsttätigen Öffnungsmechanismus an.

Ein fast unverzichtbares Element bildet die in der Kuppel befindliche thermische Masse in Form von Wassertanks und oder Hochbeeten. Aufgrund der hohen Eigenmasse bilden sie einen Ausgleich bei Temperaturschwankungen. Gerade in der Übergangszeit kann so nächtlicher Frost im Gewächshaus verhindert werden. Das in einem Tank befindliche Wasser kann darüber hinaus auch zur Bewässerung genutzt werden. Ein Besatz von Fischen mit einer grossen Temperaturtoleranz, wie karpfenartige Fische, ist gut möglich und reichert Dank der Ausscheidungen und nitrifizierender Bakterien das Wasser mit Stickstoff an. Unbedingt möchte ich auch den Besatz von Azolla einem Schwimmfarngewächs nennen. Das mit Hilfe von stickstofffixierenden Cyanobakterien das Wasser mit Nährstoff anreichert. Diese Symbiose wird auch im Reisanbau genutzt.

Für die Wildobstbaumschule von Pavel Beco, im Kanton St. Gallen, habe ich 2017 ein Kuppelgewächshaus mit Wassertank und Hochbeeten realisiert. Die Hochbeete sind mit Rohrleitungen durchzogen, die warme Luft während des Tages aus dem oberen Teil der Kuppel absaugen und durch das Erdreich der Hochbeete ziehen. Bei starkem Temperaturabfall wird die im Erdreich gespeicherte Wärmeenergie wieder durch eine Umkehrung der Luftströmung in der Kuppel freigesetzt. Die besondere Bauart dieser Kuppel erlaubt auch eine Bepflanzung von Bäumen, die während der Sommermonate Schatten spenden und während des Winters durch den Laubabwurf den Weg des Sonnenlichtes freigeben.

Der Zome – Ein Ausblick auf alte Formen

Derzeit arbeite ich an einer Vorstudie für einen »Aquaponic-Dome« im Kanton Luzern, der streng genommen keine geodätische Kuppel ist. Anders als bei einer geodätischen Kuppel verteilen sich keine dreieckigen Teilflächen auf einer Kugeloberfläche sondern rautenförmige Teilflächen auf einer sich nach oben verjüngenden Spirale, ganz ähnlich wie ein Pinienzapfen. Zome, der Name einer solchen Kuppel setzt sich aus der geometrischen Bezeichnung »Zonohedron« und dem englischen Wort »Dome« zusammen. Grundsätzlich wirkt diese Form organischer und fasziniert durch ihre verborgenen Geheimisse, denn das Zonohedron war uns schon vor der Antike bekannt und ist so ein Sinnbild von vergessenem Wissen, das heute wiederentdeckt werden darf und verhält sich damit ganz ähnlich wie das Wissen um die Methodiken der heutigen Permakultur.


1 Bodenatlas 2015 – Heinrich-Boell-Stiftung

2 Geodome gratis online berechnen: acidome.ru


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2019 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten. Kai Rosit plant Geodome für verschiedene Anlässe, auf seiner Webseite findest du weitere Informationen zu diesem Thema.

Nach oben