Bio oder konventionell = gut oder böse? – Teil II

Leserbrief zum Artikel »Bio oder konventionell = gut oder böse?«


Guten Tag,
ich bin Geografielehrperson am Gymnasium und wir betrachten Landwirtschaft im Zusammenhang mit Klimawandel. Im Artikel Bio oder konventionell = gut oder böse? wird im ersten Abschnitt erwähnt, die CO2-Bilanz des konventionellen Landbaus sei besser als jene des Biolandbaus, weil mehr geerntet würde pro Hektar. Dies scheint mir eine gewagte Aussage, die vielleicht nicht das Ganze im Auge hat. Ich habe bisher eher anderes gelesen. Man sollte vielleicht auch nicht nur das Kohlenstoffdioxid beachten, sondern alle emittierten Klimagase ... Dies macht zum Beispiel eine Studie aus Österreich. Hier ein Bericht dazu von FIBL Austria. Auf was beruht die Aussage im Artikel? Ist das einfach eine Annahme, »weil ja mehr geerntet wird« oder sind das tatsächlich erhobene Daten? Vielleicht könnten Sie diese Nachricht an den Autor weiterleiten und ich würde mich über eine erklärende Antwort freuen.
Freundliche Grüße,
Katharina S.


Antwort vom Autor Volker Croy:

Hallo Katharina,
Der angegebene Artikel gibt leider keine Auskunft zu den Details der untersuchten Betriebe und ich habe die zugrunde liegende Studie nicht gefunden, wo ich hätte die Aussagen prüfen können. Normalerweise ernten Bio-Betriebe deutlich weniger, sie müssen also mehr Fläche bewirtschaften und verfahren damit mehr Diesel. Unkrautbekämpfung erfolgt bei Biolandwirtinnen und -landwirten mechanisch, das bedeutet, sie fahren öfter mit dem Traktor und ziehen mehr.

Wir haben im Studium 2012 in Produktionsmanagement in Agrarwirtschaft und Gartenbau Biolandbau und konventionellen Anbau miteinander verglichen und CO2-Bilanzierung und ökologischen Rucksack dazu durchgerechnet. Eine CO2-Bilanzierung schaut sich alle Produkte und Arbeitsschritte an und prüft den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß oder den Ausstoß anderer kritischer Gase wie Methan und Ammoniak. Letztere rechnet man in Kohlenstoffdioxid um, deswegen steht in CO2-Bilanzierungen oft »CO2-Äquivalent«. Die Bilanzierung ist einfach, schnell machbar und gut nachvollziehbar.

Bei der Bilanzierung fehlen jedoch die Umweltfolgekosten oder sie werden ungenau dargestellt, zum Beispiel ist die CO2-Bilanz für ein Glyphosathaltiges Herbizid und ein pflanzliches mit Pelargonsäure fast gleich, für den Naturhaushalt ist Glyphosat schädlicher. Ähnlich werden oft Lkws mit Frachtschiffen verglichen, wobei das Frachtschiff in Bezug auf Kohlendioxid-Ausstoß viel günstiger als der Lkw ist. Ausgeklammert wird hierbei, dass das Frachtschiff mit Schweröl fährt und die dreizehn größten Frachtschiffe der Welt pro Jahr mehr giftige Gase ausstoßen als alle Lkws Europas zusammen.

Der ökologische Rucksack soll das ausgleichen und berechnet den Verbrauch an Ressourcen zum Beispiel Wasserverbrauch, Zerstörung von Land bei der Produktion, beispielsweise beim Erzabbau, Ölverbrauch und Konsum von Biomasse. Es gibt Universitäten, die auf einer gemeinsamen Basis den ökologischen Rucksack für einzelne Produkte und Produktionsschritte aufwendig ermitteln.

Der Dieselverbrauch im Biolandbau war in der Berechnung, die wir während des Studiums durchgeführt haben, selbst bei positiver Betrachtung 40 % höher als einem konventionellen Betrieb. Als Beispiel-Herbizid wurde Pelargonsäure verwendet, ein im Bioanbau verbotenes pflanzliches Herbizid. Es muss also nicht immer Glyphosat sein.

Humusaufbau kann stark unterschiedlich sein. Ich habe Bio-Betriebe mit humusarmen, kaputten Böden gesehen, da Humusaufbau Geld kostet, genauso wie konventionelle mit guten humosen Böden und umgekehrt. Deswegen haben wir den Humusaufbau nicht miteinberechnet.

Bei der Abgabe von anderen Gasen, außer Kohlenstoffdioxid, kommt es auf die Düngung an. Gülle-Düngung gibt viel Methan ab. Auch das variiert nach Bearbeitung. Mineralische und Hornmehl-Düngung geben dagegen sehr wenig ab. Ich glaube nicht, dass sich das stark geändert hat. Das Problem bei dem von dir zitierten Artikel ist, wie gesagt, dass mir die Datengrundlage fehlt, um nachzurechnen.

Durchgerechnet haben wir CO2-Bilanz und ökologischen Rucksack im Studium für Feldkulturen. Da gibt es mehrere Teilbereiche, die dazu führen, dass Bio schlechter abschneidet, was Klimaschutz angeht: Düngung, Bodenbearbeitung und Erntemenge:

Erntemenge

Ein gut wirtschaftender EU-Bio- oder biologisch-organischer-(z. B. Bioland-)Landwirt oder eine Landwirtin produziert etwa 50–75 % der Menge eines konventionellen Betriebes an Output. Bio-Betriebe müssen aus verschiedenen Gründen mit größeren Pflanzenabständen arbeiten, allein deshalb wird weniger pro Fläche geerntet. Die Bio-Erträge liegen beispielsweise in Sachsen laut dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie teilweise bei 50 % der konventionellen Erträge.

Pilze breiten sich bei hoher Luftfeuchte besser aus. Sie benötigen meist auch Blattnässe zum Keimen der Sporen. Manch einem fällt auf, dass es bei starker Frühjahrstrockenheit weniger Krankheiten an Rosen, Äpfeln und Wein gibt. Das liegt an der Austrocknung. Deswegen werden weite, luftige Pflanzenabstände genutzt, um für mehr Abtrocknung nach dem Regen und dem Morgentau und somit für weniger Pilzkrankheiten zu sorgen. Im Biolandbau werden weniger Fungizide eingesetzt und größere Reihenabstände in Anspruch genommen. Das wieder führt dazu, dass weniger Masse pro Hektar wächst. Auch die geringere Düngung bei Bio-Betrieben führt zu weniger Ernte.

Wenn auf einem Hektar Bio-Fläche 2,5 t Getreide wachsen und auf der konventionellen Fläche 5 t, dann brauche ich zwei Hektar Bio-Fläche, um genauso viel zu produzieren wie für einen Hektar im konventionellen Anbau. Möchte ich also beispielsweise 5 t Hafer ernten und essen, brauche ich entweder einen Hektar Feld mit konventionellem Hafer oder zwei Hektar Bio-Hafer. Aber für die zwei Hektar muss ich doppelt so viel Tätigkeiten verrichten: Pflügen, Säen, Ernten, Striegeln. Weniger Ernte pro Hektar entspricht also mehr CO2-Ausstoß pro Ernteeinheit.

Bodenbearbeitung

Unkräuter, un-erwünschte Kräuter, machen einen wichtigen Teil der Ertragsverluste aus. Deswegen regulieren oder entfernen Landwirt*innen sie. Mit Herbiziden geht das weit CO2-sparender, auch wenn diese zum Teil den Boden vergiften, als mit Technik. Spritzen verbraucht weniger Kraftstoff als Eggen. Saatbett-Vorbereitung kann durch Grubbern oder Spritzen erfolgen. Wo braucht der Traktor mehr Diesel: Wenn er Metallzinken durch den Boden zieht oder wenn er locker darüberfährt?

Düngung

Bio-Landwirtschaft darf keine chemischen Stickstoff-Dünger nutzen. Diese Art von Dünger hat einen hohen Energiebedarf bei der Herstellung: zwei Liter Dieseläquivalent pro Kilogramm Stickstoff. Die Herstellung von Stickstoffdünger aus Luft-Stickstoff nach dem Haber-Bosch-Verfahren benötigt reichlich Energie, da sie Wasserstoff benötigt, hohe Temperaturen und hohen Druck. 10 kWh wurden in der CO2-Bilanzierung in Dieseläquivalent umgerechnet und als Maß genutzt. Je nach Literatur variieren die Angaben, weil die Verfahren sich stark in der Anwendung unterscheiden. Mittlerweile liest man öfter von einem Liter Diesel pro einem Kilogramm Stickstoff, da neue Erdgas-Verfahren weniger Energie benötigen.

Mist auf das Feld fahren kostet noch größere Mengen Diesel. Chemischer Stickstoffdünger kann auch mit Wind- und Solarstrom hergestellt werden. Die größte Trinkwasserbelastung geht nicht von mineralischem Stickstoff aus, sondern von organischem aus Mist. Die Mär vom chemischen Stickstoff, der das Grundwasser verseucht, ist seit über zwanzig Jahren nicht mehr aktuell, weil Stickstoff-Dünger zu teuer ist. Dafür gibt es in großen Mastanlagen, egal ob Bio oder konventionell, einen Stickstoff-Überschuss durch zugekauftes Futter, der auf die Felder nahe am Hof verteilt wird. Anhand der Werte der Stickstoff-Belastung im Trinkwasser lässt sich erkennen, wo sich Mastanlagen befinden. Die Angaben beziehen sich bisher auf Klimafreundlichkeit und lassen Giftbelastung und Tierwohl außen vor.

Ökologischer Rucksack

Beim ökologischen Rucksack sah der Vergleich ähnlich aus, nur drastischer. Der ökologische Rucksack ist meiner Meinung nach akkurater, da dort auch die Umweltbelastung teilweise mit eingeht. Für die CO2-Bilanz ist es unerheblich, ob wir die Äpfel hier bis zum Sommer kühlen oder mit dem Frachter aus Neuseeland einführen. Auch der ökologische Rucksack sieht das ähnlich. Während das Stickstoff-Verbot für mineralische Dünger in den 1980er-Jahren Sinn machte, ist es jetzt kontraproduktiv. Alle anderen mineralischen Dünger sind bei Bio erlaubt, nur Stickstoff ist verboten. Damals wurde in sehr aufwendigen Herstellungsverfahren viel Energie freigesetzt. Zudem wurden gesundheitsgefährdende Stickstoffvarianten wie Kalkstickstoff verwendet. In dieser Zeit wurde außerdem deutlich überdüngt und es wurden mehr Fungizide und Pestizide eingesetzt. Heute ist bekannt, dass viel Stickstoff auch viele Krankheiten und Schädlinge bedeutet, und Stickstoff-Düngung wird reduziert angewendet, außer Gülle.

Tierschutz

Bio ist nicht automatisch positiv für die Umwelt oder Tiere. In den Anfängen waren Biobetriebe, vor allem die Dynamischen, oft mit Tierschützern in Konflikt, weil sie trotz Massentierhaltung die Medikamente den Tieren vorenthalten haben, keinen Sonnenschutz anboten oder kranke Tiere im Bestand gelassen haben. Es gab selbst nach 2010 noch Keulungen durch das Veterinäramt wegen Tierseuchen in Demeter-Betrieben. Ich habe in Biohöfen gesehen, wie Rinder bis zu den Hüften mit Kot beschmiert waren, inklusive der Euter, weil das Spaltbodenverbot nicht durch ein erhöhtes Reinigungsintervall ausgeglichen wurde. Ich habe Hausschweine mit vom Sonnenbrand vereiterten Rücken erlebt, weil dem Besitzer nicht klar war, dass Schweine im Wald leben und die natürliche Umgebung des »Haus«-Schweins wahrscheinlich das Haus ist oder etwas Ähnliches und nicht die offene Wiese. Das wird zwar weniger, aber nur weil eine neue Generation die Höfe übernimmt. Schwarze Schafe gibt es überall, das ist normal. Aber das sollte ich auch bei Bio beachten. Denn wenn wir glauben, das seien »die Guten«, dann schauen wir nicht richtig hin und Schaden entsteht.

Bericht vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau

Wir hatten damals das Problem gesehen, dass die Bio-Betriebe gern für die Berechnungen die Erntemenge außer Acht lassen und nur pro Hektar rechneten und so diese Unstimmigkeit ausschlossen. Dann kommt Demeter zum Beispiel oft sehr gut weg. Aber ich esse Brot, nicht Anbaufläche Getreide. In dem von dir zitierten Artikel heißt es »Als auf Österreich übertragbar wurde eine Untersuchung aus Bayern herangezogen. Dieser zufolge werden durch Bio-Ackerbau durchschnittlich 400 kg CO2 pro Hektar und Jahr durch den Humusaufbau gebunden.« Da fehlt die Erntemenge. Zudem kommt es bei konservierender Bodenbearbeitung darauf an, welche Bauernhöfe ich vergleiche. Ich hatte beim zweiten Symposium zur Aufbauenden Landwirtschaft einen Bio-Bauern erlebt, der keinen Humus aufbauen wollte, weil es ihm zu teuer war. Also ist auch diese Zahl vom Betrieb abhängig und nicht davon, ob es ein Bio oder konventionell ausgerichteter Hof ist. Ich finde es erschreckend, die einen unter Generalverdacht zu stellen und die anderen nicht. Entweder alle Bauern, das wäre mein Vorschlag, oder keine, aber nicht nach ideologischer Gruppenzugehörigkeit.

Soja im Kraftfutter

Im Bericht steht »In konventionellen Futtermitteln ist eine große Menge an Soja aus Brasilien, teils auch aus Argentinien enthalten.« Es kommt darauf an, wie viel solcher Futtermittel verwendet werden. Getreide ist das am meisten genutzte Kraftfutter, Soja für Futter kommt nur selten zum Einsatz. Wenn ich einen Betrieb zum Vergleichen suche, dann einen mit oder ohne Sojanutzung? »Ohne« kommt er gut weg, »mit« eher schlechter. Soja wird nicht für die Landwirtschaft angebaut. Das wäre extrem teuer. Sie wird oft weiterverarbeitet, Tiere erhalten also nicht die Sojabohnen, sondern zum Beispiel Presskuchen aus der Ölproduktion. Nur magere 1,541 % des gesamten Futtermittels war 2017/18 in Deutschland Soja und diese nur aus der Ölproduktion als Presskuchen. Keine Soja wird für die Landwirtschaft eingeführt, sondern für die Ölproduktion und die Landwirtschaft verwertet die Reste und bekommt oft die negativen Folgen zugerechnet. Aussagen allgemein zu treffen hieße, Durchschnitthöfe zu berechnen und dann diese zu vergleichen. Das Thema ist recht aufwendig, deswegen sollte da auch genauer hingeschaut werden.

Ich hoffe, das hilft dir weiter. Ich kann auch die Berechnungen suchen, aber das ist lang her. Du kannst das auch selbst rechnen.
Viele Grüße,
Volker Croy


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Der Leserbrief bezieht sich auf den Beitrag Bio oder konventionell = gut oder böse.

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