Anastasia und Familienlandsitzbewegung

 

Wie stehen Permakultur Institut und Akademie dazu?

                                                          

Eine Stellungnahme des PKI e.V.
Verfasst von Judit Bartel, Joel Campe, Birte Friebel und Clara Hencke
Dieser Artikel wurde nach kritischen Rückmeldungen aus dem Permakultur-Netzwerk überarbeitet und stellt so – aktualisiert am 07.03.2018 – die finale Version dar.


Das bekannteste Bild der Permakultur-Bewegung: die Regenbogenschlange symbolisiert das Ei des Lebens. (Künstler: Andrew Jeeves)

Warum wir uns mit Anastasia beschäftigen

Immer wieder nehmen Menschen an Kursen der Permakultur Akademie (PKA) teil, die sich von den Anastasia-Büchern von Wladimir Megre angesprochen fühlen und / oder die den Wunsch haben, einen eigenen Familienlandsitz zu gründen. In diesen Büchern werden viele Aspekte angeschnitten, die auch in der Permakultur eine Rolle spielen.

Unser Anliegen ist es, Menschen in ihrer Suche und ihrem Engagement für andere - zukunftsfähigere - Lebensweisen zu unterstützen. Wir haben den Eindruck bekommen, dass es innerhalb der Anastasia- und Familienlandsitz-Bewegung sehr wenig kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Bücher gibt. Hierzu möchten wir aber ermutigen, denn einige Grundannahmen und Haltungen, die sich in den Anastasia-Büchern und der daraus entstandenen Bewegung finden, können wir nicht mit unserem Verständnis von Permakultur in Übereinstimmung bringen.

Die Zeitschrift Oya, mit der das Permakultur Institut e.V (PKI) seit der ersten Ausgabe eng verbunden ist (ein Vereinsmitglied leitet die Permakultur Redaktion in der Oya), hat sich in ihrer 45. Ausgabe mit dem Phänomen Anastasia beschäftigt. Der Artikel ist hier vollständig nachzulesen. Unserer Meinung nach sind hierin einige Kritikpunkte differenziert formuliert. Wir stellen im Folgenden die Haltung des PKI zu zentralen Kritikpunkten dar.

Vielschichtigkeit wertschätzen

Sowohl die Anastasia- und Familienlandsitz-Bewegung als auch die Permakulturbewegung scheint Menschen anzusprechen, die Verantwortung für die Zukunft der Erde übernehmen möchten und jetzt damit beginnen wollen, anders zu handeln.

Permakultur als Gestaltungsansatz vermittelt Methoden und Wissen, um selbst passende Lösungen für die spezifischen ökologischen, sozialen und räumlichen Gegebenheiten zu finden, in denen wir leben. Damit schickt Permakultur Menschen in eine tiefe Auseinandersetzung mit sich und ihrem Lebensumfeld. Sie gibt ihnen dafür Werkzeuge an die Hand und ermutigt dazu, eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten und eigene Schritte in eine zukunftsfähige Richtung zu finden.

In Gesprächen mit Anastasia-Inspirierten und in der Auseinandersetung mit den Büchern haben wir den Eindruck bekommen, dass das Konzept "Familienlandsitz" als die eine richtige Lebens- und Siedlungsweise dargestellt wird, die lediglich verwirklicht werden müsse und alle Probleme seien gelöst. Das halten wir für problematisch, denn wir gehen davon aus, dass wir vielfältige Wege brauchen, um mit den globalen Krisen umzugehen. Daher ist es unserem Verständnis nach zentral, die Vielfalt der gefundenen Wege zu würdigen. Das weite Feld des "Transformationsdesigns" möchte die Umgestaltung unserer Gesellschaften und Kulturen hin zu enkeltauglichen Lebensweisen begleiten und befördern. Darin verstehen wir Permakultur als einen möglichen Ansatz, um tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Aus verschiedenen Perspektiven beobachten

Die Anastasia-Geschichte operiert an vielen Stellen auf Grundlage eines Gegensatzes zwischen Gut und Böse und nutzt vereinfachende Bilder. Wir teilen die Einschätzung von Lara Mallien im Oya-Artikel, dass dieses Denken leicht zum Nährboden für die Entstehung von Feindbildern werden kann, selbst wenn es nur in einer Geschichte spielt.

Die Verknüpfung der Landsitzidee mit Bezügen zu einer "alten wedischen Kultur" und die Art der Thematisierung jüdischer Menschen tragen dazu bei, dass sich unter den Anastasia-Begeisterten auch Personen wiederfinden, die gegenüber völkischem Denken offen sind, die "Kultur" mit "Nation" gleichsetzen oder antisemitische Positionen vertreten. Hierzu schreibt Lara Mallien in der Oya 45: "Die Anastasia-Bücher rufen nicht zu Volksverhetzung auf, aber sie zeichnen ein Bild des »Bösen«, und so ist es kein Wunder, dass sich Menschen, die an eine jüdische Weltverschwörung und ähnliches glauben, sich von den Büchern bestätigt fühlen."

Unserer Ansicht nach braucht es keine Feindbilder und keine völkischen Ideen, um für zukunftsfähigen Wandel aktiv zu werden. Und deshalb wenden wir uns entschieden gegen rassistische, sexistische, antisemitische und anderweitig diskriminierende Haltungen, wie sie vor allem in Band 6 gefunden werden können. Sie sind mit der Ethik der Permakultur nicht vereinbar: der Grundsatz „Trage Sorge für die Menschen“ fordert uns dazu auf, die Vielfalt der Kulturen und Lebensweisen auf unserem Planeten wertzuschätzen und Weltoffenheit und den Austausch zu pflegen. Und das alles auf der unverrückbaren Basis der Achtung der allgemeinen Menschenrechte. Mehr dazu in unserem Wertestatement.

Wir halten daher eine kritische Auseinandersetzung der Familienlandsitzbewegung mit den diskriminierenden Aspekten in der Anastasia-Literatur für notwendig. Aufforderungen zum kritischen Denken sind auch in den Anastasia-Büchern zu finden, da jedoch gleichzeitig fertige Antworten mitgeliefert werden, fragen wir uns, ob darüber hinaus eine Vielfalt an Ideen entsteht. Mit den Methoden der Permakultur unterstützen wir differenzierte Betrachtungsweisen der globalen Probleme und versuchen so, deren Komplexität und Verflochtenheit gerecht zu werden. Permakultur setzt darauf, Menschen zu ermächtigen, ihre jeweiligen Gegebenheiten (die weltweit sehr unterschiedlich sind) genau zu beobachten und selbst passende Lösungen für ihren Ort und ihre Rahmenbedingungen zu finden.

Wir denken, dass wir alle einen wachen und kritischen Geist brauchen, um zu erkennen, welche der Ideen, die tagtäglich verbreitet werden, wirklich den Menschen und der Erde dienen. Achten diese Ideen die Rechte, Freiheit und Würde aller Menschen und Lebewesen, oder bieten sie vereinfachende Lösungen an, die der Vielfalt und Verbundenheit und damit den gegenseitigen Abhängigkeiten auf diesem Planeten nicht gerecht werden? Diese Frage können wir uns sowohl in Bezug auf das Anastasia-Patentrezept "Ein Hektar" stellen, als auch in Bezug auf das Bild, das von Partnerschaft und Familie gezeichnet wird. Wie steht dieAnastasia- und Familienlandsitz-Bewegung zu anderen Formen der Fürsorge für Flächen, des Zusammenlebens oder der Beziehungen?

Uns prägen ebenso wie die meisten Menschen die Gewohnheiten der globalisierten Kultur des Konsumismus und der weltweit zunehmenden Tendenzen zu Vereinzelung und Entsolidarisierung. Wenn wir dem etwas entgegensetzen wollen, dann brauchen wir bewussten und kreativen Widerstand, aber kein Feindbild.

Gemeinsam neue Wege entwickeln

Wir teilen den Wunsch nach einer Welt, die von Naturverbundenheit und zukunftsfähigen Lebensweisen geprägt ist. Auch den Wunsch, Verantwortung für ein konkretes Stück Land zu übernehmen, teilen viele Akteur*innen im Permakultur Netzwerk mit Menschen in der Anastasia- und Familienlandsitz-Bewegung.

Für uns bleibt die Frage: Welche Haltungen und Aussagen in den Büchern von Wladimir Megre sind mit der Permakultur Ethik vereinbar und welche nicht? Wir wünschen uns, dass sich Menschen, die sich von den Anastasia-Büchern inspiriert fühlen und an Permakultur interessiert sind, mit dieser Frage auseinandersetzen. Und wir laden dazu ein, die Selbstermächtigung und Kreativität zu entdecken, die im Gestaltungsansatz Permakultur steckt, indem er uns auffordert, ganzheitlich zu beobachten und dann kontextangepasste Lösungen für Orte und Lebensweisen zu finden. Wir laden auch dazu ein, mit uns in Dialog zu treten (Kontakt z.B. hier) und dadurch herauszufinden, ob Permakultur als Ansatz und das PKI als Verein für das eigene Wirken eine interessante Bereicherung sein können.

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